Verfahrensdokumentation: Wegweiser zur digitalen Transformation
Ein Beitrag von Sven Horak
In der täglichen Praxis von Steuerberatern und Unternehmen wiederholt sich ein bekanntes Szenario: Die Suche nach Belegen, die mühsame Rekonstruktion von Buchungsvorgängen und das zeitraubende Zusammentragen von Prozessinformationen für die nächste Betriebsprüfung. Diese Situation gleicht einem Gebäude, dessen Fundament auf unsicherem Grund errichtet wurde. Von außen mag die Struktur stabil erscheinen, doch bei genauerer Betrachtung offenbaren sich Risse im Mauerwerk und ein nachgebendes Fundament. Ähnlich verhält es sich mit Unternehmen, deren Prozesse auf Improvisation und fragmentierten Strukturen basieren.
KERNAUSSAGEN
👉 Die Verfahrensdokumentation ist weit mehr als ein Pflichtdokument für die Betriebsprüfung. Sie bildet die Grundlage für ein effektives internes Kontrollsystem.
👉 Steuerberater sollten dieses Potenzial gezielt nutzen. Eine professionelle Verfahrensdokumentation hilft nicht nur bei der Erfüllung steuerlicher Anforderungen, sondern deckt ineffiziente Prozesse, Medienbrüche und Kontrolllücken auf.
👉 Eine enge Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern und spezialisierten Unternehmensberatungen ist essenziell, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
I. Das verborgene Potenzial systematischer Prozessdokumentation
Die Verfahrensdokumentation wird in vielen Unternehmen als notwendiges Übel betrachtet, als bürokratische Hürde, die es zu überwinden gilt. Diese Sichtweise spiegelt sich auch in vielen am Markt verfügbaren Software-Lösungen wider, die sich darauf beschränken, ein standardisiertes Dokument mit dem Titel „Verfahrensdokumentation“ zu erzeugen. Hier gilt es zu beachten: Die bloße Existenz eines Dokuments erfüllt zwar formal die behördlichen Anforderungen, lässt aber das strategische Potenzial einer umfassenden Verfahrensdokumentation ungenutzt.
Eine fundierte Verfahrensdokumentation geht weit über eine reine Pflichterfüllung hinaus. Sie ermöglicht es, die gesamte Prozesslandschaft eines Unternehmens systematisch zu erfassen und zu analysieren. Sie deckt Schwachstellen auf, die im Tagesgeschäft oft übersehen werden: ineffiziente Arbeitsabläufe, redundante Dateneingaben, fehlende Kontrollen und mangelnde Integration verschiedener Systeme. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage nicht nur für eine zielgerichtete Optimierung der Geschäftsprozesse, sondern auch für ein effektives internes Kontrollsystem. So ist m. E. eine Reduzierung der Durchlaufzeit von z. B. Eingangsrechnungen in Höhe von 60 % keine Seltenheit. Ein Zeitgewinn, der direkte Kosteneinsparungen, eine spürbare Entlastung der Mitarbeiter und Risikominimierung bringt.
II. Der Weg zur optimierten Prozesslandschaft
Ausgehend von den identifizierten Herausforderungen beginnt die Transformation mit einer gründlichen Ist-Analyse. Dabei werden sämtliche relevanten Geschäftsvorfälle erfasst und die bestehenden Systeme und Schnittstellen dokumentiert. Besonderes Augenmerk liegt auf der Identifikation von Risiken und Schwachstellen. Diese Phase erfordert nicht nur technisches Verständnis, sondern vor allem die Fähigkeit, Prozesse ganzheitlich zu betrachten und Zusammenhänge zu erkennen.
Auf Basis dieser Analyse wird ein Soll-Konzept entwickelt, das klare Optimierungsziele definiert. Dabei geht es nicht nur um die Auswahl geeigneter Digitalisierungslösungen, sondern auch um die Definition von Prozessstandards und Kontrollmechanismen. Ein detaillierter Implementierungsfahrplan stellt sicher, dass die Veränderungen strukturiert und nachhaltig umgesetzt werden.
III. Die Bedeutung des internen Kontrollsystems
Ein wesentlicher Baustein der optimierten Prozesslandschaft ist die Implementierung eines effektiven internen Kontrollsystems (IKS). Dessen Herzstück bildet eine systematische Risikokontrollmatrix, die einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der Risikobewertung ermöglicht: weg von gefühlten, subjektiven Einschätzungen, hin zu einer faktenbasierten Analyse.
Diese Risikokontrollmatrix bewertet jeden einzelnen Prozessschritt nach drei zentralen Kriterien: der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Risikos, dessen potenzieller finanzieller Auswirkung und der Wahrscheinlichkeit seiner Entdeckung. Durch die Verknüpfung dieser Faktoren wird eine mathematisch fundierte Risikopotenzialzahl ermittelt. Dieser datenbasierte Ansatz ermöglicht es Unternehmen, ihre Kontrollressourcen gezielt dort einzusetzen, wo sie den größten Nutzen stiften. Statt sich auf Bauchgefühl und Erfahrungswerte zu verlassen, können Entscheidungsträger nun auf Basis objektiver Kriterien handeln.
PRAXISHINWEIS
Die systematische Analyse führt häufig zu überraschenden Erkenntnissen: Risiken, die subjektiv als kritisch eingeschätzt wurden, erweisen sich im mathematischen Modell als weniger bedeutsam, während vermeintlich harmlose Prozessschwächen plötzlich als signifikante Gefahrenquellen identifiziert werden. Diese Objektivierung der Risikobewertung ermöglicht eine deutlich effizientere Allokation von Ressourcen im Kontrollsystem.
IV. Wirtschaftlichkeit und Fördermöglichkeiten
Ein häufiges Argument gegen die Investition in eine professionelle Verfahrensdokumentation sind die vermeintlich hohen Initialkosten. Diese Sichtweise verkennt jedoch zwei wesentliche Aspekte: zum einen die verfügbaren staatlichen Fördermöglichkeiten, zum anderen die wirtschaftlichen Vorteile einer optimierten Prozesslandschaft.
Im Rahmen verschiedener Digitalisierungsinitiativen stellt der Staat umfangreiche Fördermittel zur Verfügung. [1] Diese können bis zu 80 % der Projektkosten abdecken und die Investition in eine Verfahrensdokumentation auch für kleinere und mittlere Unternehmen attraktiv machen. Die Förderung erstreckt sich dabei nicht nur auf die eigentliche Dokumentation, sondern auch auf die damit verbundene Prozessanalyse und -optimierung. Steuerberater können hier ihre eingangs beschriebene Rolle als strategische Berater ausbauen, indem sie ihre Mandanten bei der Beantragung dieser Fördermittel unterstützen.
Die wirtschaftlichen Vorteile einer professionellen Verfahrensdokumentation zeigen sich auf mehreren Ebenen. Zunächst führt die Optimierung der Prozesse zu deutlichen Kosteneinsparungen im operativen Geschäft. Die zu Beginn beschriebenen Ineffizienzen können beseitigt werden, Arbeitsabläufe gestrafft und Fehlerquellen eliminiert werden. Die dadurch erreichte Produktivitätssteigerung kann in vielen Fällen die Investition oft schon innerhalb weniger Monate amortisieren.
Noch bedeutsamer sind m. E. die vermiedenen Risiken und potenziellen Schäden. Die implementierten Kontrollmechanismen schützen vor Manipulationen und wirtschaftskriminellen Handlungen. Auch die Vermeidung von Bußgeldern und Steuernachzahlungen durch eine GoBD-konforme Prozessgestaltung trägt zur positiven Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bei.
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Dies ist eine Kurzfassung des Beitrages aus NWB BBK Nr. 6/2025 Seite 275
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