Tax Technology Conference 2024: Breakouts

Königsdisziplin statt Chatbots: KI revolutioniert bei Vonovia die Transfer-Pricing-Dokumentation

Ein Polaroidfoto, das mit einer Stecknadel befestigt ist. Daneben steht das Wort Recap. Bild: @tax-technology-conference.de

Die Tax Technology Conference 2024 in Frankfurt präsentierte zahlreiche Innovationen, doch im Raum Komet war das Interesse außergewöhnlich hoch: In der Arena 3 „TP-Doku meets KI“ stellten Jörg Schindler (Head of Tax, Vonovia), Florian Rath (Head of Tax Technology, Vonovia) und Robert Regendantz (Partner, KPMG Tax AI Lead) ein Projekt vor, das die Master- und Local-File-Erstellung nahezu vollständig automatisiert. Der oft manuelle und repetitive TP Complianceprozess wird dabei von einer KI-Lösung unterstützt, die deutlich mehr leistet als herkömmliche Chatbots. Der Saal war bis auf den letzten Platz belegt – ein deutliches Signal dafür, wie sehr die Tax-Community nach echten KI-Integrationen Ausschau hält.

📃 Warum automatisierte Transfer-Pricing-Dokumentation?

Transfer Pricing Dokumentation (TP-Doku) gehört zu den wiederkehrenden Routineaufgaben in vielen Unternehmen. Sie ist zeitaufwendig und aufgrund diverser Datenquellen auch fehleranfällig. Neben reinen Textpassagen müssen Excel-Tabellen, SAP-Reports oder PDF-Dokumente systematisch ausgewertet und in OECD-konforme Berichte überführt werden.

Nicht zuletzt führten personelle Umbrüche bei Vonovia zu der Entscheidung, diese umfangreiche und jährlich zu erledigende Aufgabe, die bis dahin weitgehend manuell bearbeitet wurde, mit KI-Einsatz zu automatisieren. Der Gedanke dahinter: Mit einer KI-Lösung wird der Prozess skalierbarer und für die Steuerexpert:innen attraktiver, da sie von zeitraubender Detailarbeit befreit werden. Als Technologiepartner fiel die Wahl von Vonovia auf KPMG.

🤝🏻 Gemeinsame Pionierarbeit von KPMG und Vonovia

Das gesamte Vorhaben wurde als Innovationspartnerschaft aufgesetzt. Vom initialen Proof of Concept bis zum Go-Live arbeiteten KPMG und Vonovia gemeinschaftlich an dem Projekt. Dabei war ein gemeinsames, interdisziplinarisches Team erfolgsentscheidend: Von Steuerberater:innen über KI-Spezialisten bis zum klassischen Softwareentwickler. Die Lösung wird direkt in der Vonovia IT-Infrastruktur betrieben.

Nach Abschluss des Proof of Concept ging es direkt weiter in die Implementierungsphase – mit dem Ziel, eine End-to-End-Lösung zu etablieren, die sowohl qualitative als auch quantitative Daten unterschiedlicher Quellen automatisiert verarbeitet. Das Ergebnis ist eine nahezu vollständige Automatisierung der Master- und Local-File-Erstellung, mit Hilfe von klassischen und KI-Technologien. Dadurch können sich Steuerexperten zukünftig mehr auf den Feinschliff der Dokumente konzentrieren, anstatt stundenlang Informationen hin- und herzuschieben.

Ein echter Gamechanger“, fasst das Team zusammen. Schließlich verschiebt sich die Rolle der Tax-Profis weiter weg vom manuellen Creator hin zum Review-Verantwortlichen, was fachliche Talente langfristig bindet und für die Branche hoch attraktiv ist.

3️⃣ Drei Dimensionen der Herausforderung
1. Verrechnungspreisspezifische Anforderungen
    • Inhaltliche Anforderungen: Die inhaltlichen Anforderungen an Master- und Local-Files gem. OECD sind vielschichtig und setzen den Einsatz einer Vielzahl von Quellen- und Formaten voraus. Die Verwendung dieser unterschiedlichen Quellen muss jederzeit überprüfbar bleiben, da sich im Kontext von Betriebsprüfungen Rückfragen zu einzelnen Aussagen ergeben können.

    • Flexibilität: Auch wenn die inhaltlichen Vorgaben zu der Master- und Local File Erstellung zunächst feststehen, können sich diese im Laufe der Zeit ändern. Ebenso können auch neue Geschäftsvorfälle zwischen Konzerngesellschaften stattfinden. Dementsprechend ist es wichtig, dass eine KI-basierte Lösung auch den Flexibilitätsanforderungen Rechnung trägt.

    • Konsistenz & Plausibilität: Da Verrechnungspreise sich grundsätzlich immer auf Transaktionen zwischen mindestens zwei im Konzernverbund stehenden Gesellschaften beziehen, ist eine spiegelbildliche Dokumentation der Geschäftsvorfälle in den jeweiligen Local Files erforderlich. Des Weiteren dient ein Local File auch zu der Erstverteidigung von Verrechnungspreisen in Betriebsprüfungen. In Abhängigkeit der tatsächlichen TP-Ergebnisse und Fremdvergleichsdaten, müssen einzelne Aussagen zu der Angemessenheit unterschiedlich ausgestaltet werden.

2. Organisatorische Aspekte
    • Rollen & Change-Management: Ein KI-Projekt funktioniert nur mit interdisziplinärer Zusammenarbeit aus Fachabteilung, IT und Führungsebene. Rollenverteilungen und Prozesse müssen klar geregelt werden.

    • Datenschutz & Zugriffsrechte: Da es sich um sensible Finanz- und Unternehmensdaten handelt, ist ein stringentes Berechtigungskonzept unabdingbar.

3. Technologische Herausforderungen
    • Schnittstellen & Datenvielfalt: Excel, SAP, PDFs – unterschiedliche Formate müssen in eine einheitliche Struktur gebracht werden, damit die KI optimal arbeiten kann.

    • Wartung & Skalierung: Die Lösung soll auch auf künftige Gesetzesänderungen oder interne Umstrukturierungen reagieren können. Eine flexible Architektur ist daher Pflicht.

🚀 Vom PoC in die Umsetzung: Agilität und Mikroexperimente für schnelle Ergebnisse

Statt einem starren und zeitintensiven Wasserfall-Ansatz setzten KPMG und Vonovia auf einen agilen, praxiserprobten Projektansatz und Mikroexperimente. Anstatt in Hürden zu denken, wurden direkt verschiedene Technologien und Prototypen getestet, um herauszufinden, wie KI im Zusammenspiel mit den bestehenden Systemen und fachlichen Anforderungen am meisten Nutzen stiften kann. Bereits nach kurzer Zeit kristallisierten sich sechs Methoden für die automatisierte Dokumentenerstellung heraus.

Mit jedem Experiment wuchs das Verständnis dafür, welche Bereiche tatsächlich durch KI ersetzt oder unterstützt werden können – etwa das Extrahieren von Daten aus SAP-Exports oder das automatische Befüllen bestimmter Kapitel in den Dokumenten. So ließ sich das PoC-Ergebnis zügig hochskalieren und in den produktiven Betrieb überführen. 

 

🆚 Technisches Konzept: Flexibilität vs. Nutzerfreundlichkeit

In vielen Steuerabteilungen wird diskutiert, wie IT-affin das Steuerteam sein muss, um KI-Anwendungen zu betreiben. Bei der Breakout-Session betonten die Referenten daher unterschiedliche Implementierungspfade, die sich je nach Unternehmenssituation eignen:

  • Flexibler Cloud-Ansatz: Hier steht eine hochgradig anpassbare Systemarchitektur (z. B. in Azure) im Vordergrund, die schnell auf neue Anforderungen reagieren kann. Allerdings sind fundierte IT-Kenntnisse erforderlich, damit Steuerabteilungen das System eigenständig nutzen, betreiben und aktualisieren können.
  • Intuitive GUI-Lösungen: Diese punkten durch geringe „Rüstzeiten“ für Anwender:innen, da Oberflächen, Workflows und Berechtigungen weitgehend vorgefertigt sind. Dafür fallen höhere Entwicklungs- und Wartungskosten an, weil jede Änderung im Hintergrund neu implementiert werden muss.

Was sich bei Vonovia bewährt hat, ist eine modulare Plattformlösung. Sie lässt sich bei Bedarf erweitern, etwa um weitere vorgelagerte Prozesse zu automatisieren oder Berichte zu integrieren. Sowohl andere Vonovia-Bereiche als auch andere Unternehmen können diese von KPMG und Vonovia erprobte Herangehensweise ebenfalls adaptieren, weil der Kernmechanismus – KI als Automationsmotor – unabhängig von dem jeweiligen Fachprozess funktioniert.

 

🔮 Wirtschaftlicher Mehrwert und Zukunftsausblick

Das Breakout-Panel in Raum Komet verdeutlichte außerdem, dass die Lösung nachhaltige Vorteile bietet. Einerseits senkt die Automatisierung die Kosten und reduziert Outsourcing-Bedarf. Andererseits steigert sie die Qualität der Dokumente, weil KI konsequent auf Konsistenz und Datenintegrität achtet.

Auch die Mitarbeitenden-Perspektive ist positiv: Der Prozess, der früher als mühsam galt, wird durch die KI deutlich verschlankt. So gewinnen Steuerexpert:innen mehr Zeit für anspruchsvollere Themen wie strategische Analysen oder Kommunikationsaufgaben im Unternehmen. 

KEY-TAKEAWAYS

👉 UNDERSTAND

KI im Steuerbereich erschöpft sich nicht in Chatbots. Gerade repetitive Prozesse wie die Erstellung von Master- und Local Files sind ideale Einsatzfelder für eine vertiefte Automatisierung.

👉 REFLECT

Unternehmen müssen entscheiden, welche technische Implementierung ihren Anforderungen am besten entspricht – in Abhängigkeit davon, wieviel IT-Fachwissen von Steuerberater:innen erwartet wird.

👉 ALIGN

Ein interdisziplinäres Team ist entscheidend: Steuerfachleute, IT-Experten und Projektmanager:innen müssen an einem Strang ziehen, damit das System im Alltag Bestand hat und laufend optimiert werden kann.

👉 PLAN

Vonovia und KPMG demonstrieren, dass ein Proof of Concept in wenigen Monaten aussagekräftige Ergebnisse liefern kann. Was funktioniert, wird direkt hochskaliert und lässt sich im Anschluss modular erweitern.

FAZIT

In der Session „TP-Doku meets KI“ der Tax Technology Conference 2024 zeigte sich, dass Transfer-Pricing-Dokumentation mehr sein kann als manuelle Fleißarbeit. Die Automatisierungslösung von KPMG und Vonovia treibt den Prozess auf eine neue Stufe: Steuerexpert:innen werden entlastet und gewinnen Freiraum, während das Unternehmen Kosten und Risiken senkt. Durch den Plattformansatz bleibt das System erweiterbar und kann auch von anderen Organisationen angepasst werden, die ähnliche Herausforderungen zu bewältigen haben. So entwickelt sich die Steuerfunktion auch im Gesamtkonzernumfeld weiter hin zum strategischen Innovator – ein zukunftsweisender Schritt für die gesamte Branche.

IMPRESSIONEN

WPK KI NEWS 1920X1080px
Neues von der Wirtschaftsprüferkammer

Worauf Wirtschaftsprüfer beim Einsatz von KI achten müssen

Der neue WPK-Leitfaden zeigt, worauf Wirtschaftsprüfer beim Einsatz von KI achten müssen. Verantwortung, Verlässlichkeit und Berufspflichten stehen dabei im Fokus.

Ver Mail NEWS 1920X1080px
Sicherheitsprobleme bei E-Mail-Rechnungen

E-Mail als Übertragungsweg für Rechnungen nicht optimal

Der Verband elektronische Rechnung (VeR) warnt vor der Nutzung von E-Mails für den Rechnungsversand. Sicherheitsrisiken, fehlende Integration und unzureichende Archivierung machen diesen Übertragungsweg problematisch. Alternativen sind dringend empfohlen.

Beckdigitax1 Beiträge 1920X1080px
Perspektiven einer mittelständischen Kanzlei

Automatisierung der Buchführung: Digitale Prozesse mit Mandanten

Die Automatisierung der Buchhaltung erleichtert die Zusammenarbeit mit Steuerkanzleien. Der Beitrag zeigt, wie digitale Prozesse mit DATEV und externen Tools optimiert werden – von der Belegsammlung über Schnittstellen bis zur KI-gestützten Buchführung und effizienten Belegfreigabe.