Digitale Betriebsprüfung 4.0: Wie neue Prüftools die Spielregeln verändern
Im Rahmen des NWB Steuerberater-Forums 2025 durfte ich am 18. September 2025 einen Einblick in die aktuelle Entwicklung der digitalen Betriebsprüfung geben. Mein Vortrag mit dem Titel „Digitale Betriebsprüfung 4.0” widmete sich der Frage, wie moderne Analysetools, KI-Unterstützung und veränderte Datenzugriffe die Prüfrealität zunehmend prägen.
Im Zentrum standen konkrete Praxisbeispiele, technische Einblicke und strategische Überlegungen, um die veränderten Spielregeln in der steuerlichen Prüfung greifbar zu machen.
Datenflut als Prüfrealität
Die Betriebsprüfung hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Während früher einzelne Leitzordner im Mittelpunkt standen, ist die Ausgangslage heute eine andere: Millionen von Buchungen, Bewegungsdaten, Schnittstellen und Systemverbindungen müssen ausgewertet werden – und das nicht nur in großen, sondern auch in kleinen und mittleren Betrieben.
Die Datenflut entsteht in den unterschiedlichsten Vorsystemen: Kassensysteme, Zeiterfassungen, Smart-Technologien oder die E-Mail-Kommunikation erzeugen täglich prüfungsrelevante Informationen. Viele sind sich nicht darüber im Klaren, dass diese Daten aufbewahrungspflichtig sind. Dieses Risiko zeigt sich deutlich bei der Prüfung.
Der Fokus verschiebt sich: Wo entsteht die Information?
Zunehmend entscheidend ist die Frage, wo die buchhalterische Information zuerst entsteht. Damit ist die sogenannte digitale DNA eines Buchungssatzes gemeint. Denn genau dort – im Ursprungssystem – beginnt heute die Prüfung.
Gemäß § 147 Abs. 6 AO hat die Finanzverwaltung Zugriff auf alle Datenverarbeitungssysteme, die aufbewahrungspflichtige Inhalte erzeugen oder weiterverarbeiten. Somit geraten neben Buchhaltungssystemen auch digitale Bestellbücher, Maschinensteuerungen, Apps oder Smart-Kühlschränke in den Fokus.
Ein Beispiel aus der Gastronomie zeigte, wie moderne Systeme, wie etwa vernetzte Kühlschränke, nicht nur Temperaturdaten erfassen, sondern auch Wareneingänge, Bestandsbewegungen und Haltbarkeiten automatisch dokumentieren. Diese Informationen fließen in die Warenwirtschaft und die Buchhaltung ein und sind somit prüfungsrelevant. Im Baugewerbe werden Maschinen zunehmend mit GPS- und Betriebsstundentrackern ausgestattet. Diese Systeme übermitteln Daten zu Einsatzdauer, Standort und Nutzungshäufigkeit direkt an das Abrechnungssystem. Bei der Prüfung lassen sich daraus Rückschlüsse auf Leistungsabrechnungen, Kalkulationen und Plausibilität ziehen. Dieser Ansatz geht weit über die klassische Belegprüfung hinaus.
Neue Tools verändern die Prüfungswelt
Die moderne Prüfung nutzt heute leistungsstarke Tools wie Power BI zur automatisierten Analyse. Damit lassen sich in wenigen Sekunden Abweichungen, Risikobuchungen, Plausibilitätsfehler oder Kommunikationsstrukturen visualisieren.
Ein konkretes Beispiel: Auffällige Steuerkennzeichen, doppelte Buchungen oder fehlende Pflichtangaben in Rechnungen werden farblich hervorgehoben. Auch E-Mail-Beziehungen zwischen Mandanten, Lieferanten oder Mitarbeitern lassen sich analysieren, inklusive Dokumentenbezug.
Besonders praxisnah ist die automatisierte Prüfung von XRechnungen. Mit speziellen Tools lassen sich Struktur, Pflichtbestandteile und Inhalt auf Anomalien prüfen, und das inklusive direkter Verlinkung zum Originaldokument.
Erste KI-Anwendungen im Prüfalltag
Ein weiterer Abschnitt des Vortrags widmete sich ersten KI-gestützten Auswertungsmethoden. Tools wie Audipy ermöglichen eine semantische Analyse strukturierter Daten, beispielsweise mithilfe von automatisch generiertem Python-Code. Das Besondere dabei ist: Die Daten bleiben lokal beim Prüfer und die KI nutzt ausschließlich Metainformationen. So können auch komplexe Fragen gestellt werden, beispielsweise zur Umsatzverteilung nach Lieferanten, zur Häufung bestimmter Geschäftsvorfälle oder zur Analyse von Zahlungsflüssen.
Die Erfahrung zeigt: Auch ohne eigene Programmierkenntnisse können damit gezielte Auswertungen vorgenommen werden, die zuvor nur mit erheblichem Aufwand möglich waren.
Neue Anforderungen für Kanzleien
Für Kanzleien bedeutet diese Entwicklung eine klare Ausweitung des Prüfungsverständnisses. Das klassische Steuerrecht allein reicht nicht mehr aus, sondern es ist zusätzlich ein Grundverständnis für Datenquellen, Prozesse und Systemverbindungen gefragt. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Sensibilisierung für aufbewahrungspflichtige Inhalte jenseits der klassischen Buchhaltung. Dazu gehören beispielsweise E-Mails mit Angeboten, digitale Schichtpläne, Messdaten aus Geräten oder strukturierte Bestelldaten aus Plattformen. Fehlt die Datenbasis, kann das zu Schätzungen oder Hinzuschätzungen führen, insbesondere wenn ein Gerät nicht mehr vorhanden ist oder die Software abgelöst wurde.
FAZIT
Die Spielregeln ändern sich
Die digitale Betriebsprüfung ist längst Realität – und sie verändert die Anforderungen an alle Beteiligten. Für mich lässt sich der Wandel wie folgt zusammenfassen:
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Jeder Buchungssatz hat eine Herkunft. Prüfer fragen zunehmend: „Woher kommt die Information und ist sie dokumentiert?”
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Tools wie Power BI oder Audipy ermöglichen neue Formen der Analyse: schnell, tiefgehend und nachvollziehbar.
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Kanzleien und Mandanten müssen sich vorbereiten, um Risiken zu minimieren und mit den Prüfmethoden Schritt zu halten.
Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung bleibt ein zentrales Ziel, doch ihre Umsetzung wird zunehmend technischer. Mein Appell: Wer die neuen Werkzeuge kennt, kann die Prüfung aktiv mitgestalten, statt nur zu reagieren.
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