Neue Werkzeuge, neue Denkweise: Der KI-First-Ansatz in der Steuerkanzlei
Beim NWB Steuerberater-Forum 2025 hatte ich am 18.09.2025 die Gelegenheit, einen in unserer Steuerkanzlei erprobten Ansatz zur KI-gestützten Prozessoptimierung vorzustellen. Mit einem konsequenten KI-First-Ansatz werden repetitive Aufgaben von technologischen Systemen übernommen, wodurch Raum für wertschöpfende Tätigkeiten entsteht.
Zum Einstieg soll eine Schlagzeile aus Australien die Relevanz des Themas veranschaulichen. Sie betrifft den KI-Einsatz außerhalb der Steuerwelt. Eine KI-basierte Radiomoderatorin war monatelang unbemerkt im Einsatz. Dieses Beispiel verdeutlicht den technischen Reifegrad aktueller KI-Systeme, wirft jedoch zugleich die Frage auf, wie sich diese Potenziale im Kanzleialltag sinnvoll, transparent und effizient nutzen lassen.
Prozessautomatisierung mit No-Code-RPA
Ein zentrales Werkzeug ist dabei die No-Code-RPA-Software „Emma”. Programme wie „Emma” ermöglichen die Nachbildung standardisierter Klickprozesse: Sie werden lokal installiert, sind datenschutzkonform und erfordern keine Programmierkenntnisse. Besonders bewährt hat sich der Einsatz beim Import von ZIP-Dateien in die DATEV-Buchhaltung. Eine Aufgabe, die früher bis zu 30 Mal täglich manuell durchgeführt wurde und jeweils fünf bis zehn Minuten in Anspruch nahm.
Seit Herbst 2024 wurde dieser automatisierte Prozess bereits rund 3.000 Mal ausgeführt. Auch das Versenden von Steuererklärungen oder das Erzeugen von Auswertungen gehören zu den gängigen Einsatzfeldern. Voraussetzung bleibt dabei stets eine saubere Prozessstruktur und ein angemessenes Verhältnis von Aufwand und Nutzen.

ChatGPT in der Beratungspraxis: Konzepte & Anwendungsmuster
Im zweiten Teil des Vortrags standen die Einsatzmöglichkeiten von OpenAI-Tools in der steuerlichen Beratung im Mittelpunkt. Moderne Reasoning-Modelle beschränken sich nicht mehr nur auf die reine Textproduktion, sondern unterstützen auch bei der Strukturierung komplexer Argumentationsketten.
In der Diskussion wurden verschiedene Anwendungsmuster deutlich:
1. Für Ad-hoc-Fragen aus dem Alltag – etwa zu umsatzsteuerlichen Sachverhalten – dient das Modell als schnelle Strukturhilfe, sofern der fachliche Kontext bekannt ist.
2. Komplexe Beratungsfragen werden über Gedächtnisprotokolle vorbereitet. Das Modell strukturiert die Themen, deckt Lücken auf und liefert Rechercheimpulse.
3. Anonymisierte Buchhaltungs- oder Abschlussdaten lassen sich mithilfe gezielter Rückfragen auswerten. Dabei zeigt sich, welche Auffälligkeiten einen prüfenden Blick erfordern.
4. Vertragsprüfungen oder Angebotsbewertungen profitieren von einer vorstrukturierten Analyse – vorausgesetzt, Anonymisierung und Modellauswahl stimmen.
5. Bei wiederkehrenden Fragestellungen – beispielsweise zu Fahrzeuganschaffungen – können standardisierte Workflows entstehen, die KI-gestützte Voranalysen ermöglichen.
Eines bleibt in allen Fällen klar: Die fachliche Verantwortung liegt beim Menschen. Die Technik liefert lediglich eine Grundlage, ersetzt aber kein steuerliches Urteil.
Datenschutz, Qualitätssicherung & systematische Prompterstellung
Der Umgang mit sensiblen Daten erfordert technische und organisatorische Schutzmaßnahmen. Zur Anonymisierung werden Tools wie UPDF oder Snipping Tools eingesetzt. Die Qualitätssicherung erfolgt häufig durch den parallelen Einsatz alternativer Modelle oder durch eine manuelle Gegenprüfung der generierten Inhalte.
Ein strukturiertes Prompt-Management ist dabei hilfreich, um konsistente und wiederverwendbare Arbeitsweisen zu etablieren. Thematisch sortierte Prompt-Sammlungen sowie die Nutzung von Projektfunktionen innerhalb von ChatGPT erleichtern den Zugriff auf bewährte Formulierungen und verbessern die Ergebnisqualität deutlich.

Umsetzung in der Kanzlei: Mindset & Mitarbeitereinbindung
Die Integration von KI-Technologien stellt nicht nur technische, sondern auch kulturelle Anforderungen. Eine erfolgreiche Einführung beginnt in der Regel mit einfach nachvollziehbaren Anwendungsfällen, bei denen Fachwissen vorhanden ist und die technische Lösung direkt unterstützt.
Wenn deutlich wird, dass monotone Routinetätigkeiten automatisiert werden können, steigt die Bereitschaft, sich auf neue Arbeitsweisen einzulassen. Besonders bei der Terminvergabe, internen Recherche oder Vorerfassung zeigt sich, wie KI konkret entlasten kann, ohne die fachliche Rolle zu untergraben.
FAZIT
Zwischen Potenzial und Verantwortung
Der KI-Einsatz in Steuerkanzleien ist längst keine Zukunftsvision mehr. Zahlreiche Anwendungen zeigen, wie sich die Technologie bereits heute integrieren lässt – als Werkzeug, nicht als Ersatz.
Drei zentrale Erkenntnisse lassen sich festhalten:
1. Automatisierung erfordert klar strukturierte Prozesse und pragmatische Werkzeuge wie No-Code-RPA.
2. Generative KI kann die Arbeit strukturieren und beschleunigen, übernimmt jedoch keine fachliche Verantwortung.
3. Der erfolgreiche Einsatz hängt von der Teamkultur, einer systematischen Einführung und einem realistischen Blick auf Grenzen und Chancen ab.
Wer neugierig bleibt, Risiken kennt und Chancen realistisch bewertet, kann mit KI nicht nur Prozesse beschleunigen, sondern den Wandel aktiv gestalten.

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BUCHHALTUNG & RECHNUNGSWESEN
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