Erfolgreicher Umstieg

Die Vertriebs-Steuerfindung von SAP S/4HANA

Grauer Hintergrund mit Schriftzug Blog und Portraitbild des Autors. Bild: @tax&bytes

Die Musterkonfiguration von SAP soll das Aufsetzen der Steuerfindung erleichtern. Doch welche Konfigurationsvorschläge liefert SAP S/4HANA eigentlich mit – und wo liegen die Unterschiede zu älteren SAP-Generationen? Das beleuchten wir hier genauer.

Die Steuerfindung ist ein zentraler Part der Preisfindung im Modul SAP SD und wird über eine spezielle Konditionsart abgebildet. Wie bei anderen Preisbestandteilen liefert SAP auch hier Musterlösungen mit.

Vorteile der automatisierten Steuerfindung 🤖

Die automatisierte Steuerkennzeichenermittlung in SAP SD (oft als "Steuerfindung" bezeichnet) ist ein regelbasiertes Instrument, das festlegt, wie ein Geschäftsvorfall umsatzsteuerlich zu bewerten ist. Diese Automatisierung bringt erhebliche Entlastung – sowohl für das Vertriebsteam als auch für die Steuerabteilung -, da sie manuelle Fehler reduziert und eine konsistente steuerliche Behandlung aller Transaktionen gewährleistet. Technisch basiert dieses Regelwerk auf der Konditionstechnik von SAP. Mithilfe von Konditionstabellen werden dabei aus verschiedenen Input-Parametern, etwa dem Abgangs- und Empfangsland sowie den Steuerklassifikationen von Material und Kunde, automatisch die korrekten Output-Parameter (das Steuerkennzeichen und der Steuersatz) abgeleitet. Diese zentrale Steuerung sorgt für eine korrekte und effiziente Umsatzsteuerbehandlung im ERP-System.

🔍 So war es in SAP ECC

Obwohl SAP das Ende der Wartung längst angekündigt hat, setzen viele Unternehmen nach wie vor auf die 2005 eingeführte Version SAP ERP Central Component (SAP ECC). Wie schon im Vorgänger SAP R/3 ist die Konditionsart „MWST“ das Herzstück der vertriebsseitigen Steuerfindung in SAP ECC. Da die Konditionsart „MWST“ und die gleichnamige Zugriffsfolge auch in SAP S/4HANA noch verwendet werden können, haben sie ihre Relevanz nicht verloren. Wir nehmen uns daher kurz die Zeit, die Funktionsweise der „alten“ Musterkonfiguration nachzuvollziehen.

Die Zugriffsfolge „MWST“ stützt sich auf die drei Musterkonditionstabellen 002, 011 und 078. Die beiden ersten Tabellen decken dabei bereits den Großteil aller gängigen Transaktionen ab:

  • Für Inlandssachverhalte sieht SAP in der Standardkonfiguration die Verwendung der Tabelle 002 vor. Der Schlüssel dazu ist die Bedingung „7“. Diese wird als erfüllt gewertet, wenn Abgangs- und Empfangsland identisch sind. Wichtig: Die Prüfung ist aber auch positiv, wenn es sich zwar um zwei unterschiedliche EU-Mitgliedstaaten handelt, im aktuellen Vertriebsbeleg jedoch keine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Kunden ermittelt werden konnte.
  • Für grenzüberschreitende Geschäfte in SAP ECC kommt Tabelle 011 ins Spiel, auf die zugegriffen wird, wenn Bedingung „8“ zutrifft. Diese Bedingung ist erfüllt, sobald Abgangs- und Empfangsland voneinander abweichen. Spezialfall EU-Transaktion: Wenn die Länder zwar unterschiedlich, aber beide EU-Mitgliedstaaten sind, prüft SAP zusätzlich, ob in den Kundenstammdaten eine für den Beleg anwendbare USt-IdNr. ermittelt werden konnte.

Die Analyse💡der hinter der Zugriffsfolge „MWST“ steckenden Logik zeigt: Die Konditionssätze in Tabelle 002 ("Steuern Inland") werden nicht nur bei Inlandsgeschäften herangezogen. Auch grenzüberschreitende EU-Transaktionen, bei denen die USt-IdNr. des Kunden fehlt (eine materielle Voraussetzung), werden von der Musterkonfiguration wie ein Inlandsfall behandelt. Beispiel: Sie liefern Waren von Deutschland in einen EU-Mitgliedsstaat. Das System findet keine USt-IdNr. für den Kunden in dessen Stammdaten. 

Die Konsequenz: Das System wendet Regelungen für Lieferungen innerhalb Deutschlands an (basierend auf Tabelle 002). Standardmäßig führt das oft zu einer Abrechnung mit 19 Prozent deutscher Umsatzsteuer. Aus meiner Sicht sollte die Steuerabteilung an dieser Stelle hellhörig werden. Ist diese automatische Gleichsetzung mit einem Inlandsfall im Sinne des Unternehmens oder sollte zuerst Rücksprache mit dem Kunden gehalten werden, um die fehlende USt-IdNr. zu klären? Das aktuelle Systemverhalten sollte kritisch geprüft werden.

Abbildung 1: Zugriffsfolge MWST

EXKURS

Preisfindungsbedingungen🚦

Im Kontext der SAP-Preisfindung ist eine „Bedingung“ eine programmierte Logik. Ihre Aufgabe besteht darin Werte einer Belegposition zu prüfen oder sie mit vordefinierten Erwartungswerten abzugleichen. Wird eine Bedingung in einem Schritt einer Zugriffsfolge verwendet, erfolgt der Zugriff nur dann, wenn die Bedingungsprüfung positiv ausfällt. Ist die Bedingung nicht erfüllt, wird der Zugriff übersprungen und der nächste Schritt der Zugriffsfolge wird verarbeitet.

🎁 Was S/4HANA Neues bringt

Mit SAP S/4HANA hat SAP die Konfiguration der Umsatzsteuerfindung überarbeitet, obwohl die Kernprinzipien der Konditionstechnik (Konditionsarten, Zugriffsfolgen und Konditionstabellen) erhalten bleiben.

Die wichtigste Neuerung betrifft die Standard-Konditionsart:
  • Als Alternative zur bekannten Konditionsart MWST führt S/4HANA die Konditionsart TTX1 ein. Diese entspricht einer neuen Namenskonvention, die SAP mit der jüngsten Systemgeneration verwendet.
  • Wie die MWST nutzt auch die Zugriffsfolge TTX1 weiterhin die bewährten Konditionstabellen 002 und 011.
  • Im Gegensatz zur MWST wird in der TTX1 jedoch auf die Konditionstabelle 078 verzichtet.
  • Neu hinzugefügt wurde dafür die Konditionstabelle 165.

„Unternehmen, die auf S/4HANA migrieren, sollten sich mit dieser Umstellung von MWST auf TTX1 und den damit verbundenen Änderungen in den Zugriffsfolgen vertraut machen.“


Abbildung 2: Zugriffsfolge TTX1

Die neue Konditionstabelle 165 in der S/4HANA-Steuerfindung nutzt nicht nur Abgangsland, Empfangsland und die Steuerklassifikationen von Kunde und Material, sondern ergänzend den Inputparameter „Fakturatyp“. Das erlaubt es, Regeln zu hinterlegen, die nur greifen, wenn der Beleg exakt den im Konditionssatz definierten Fakturatyp aufweist. Besonders nützlich ist dies bei Anzahlungsaufforderungen an EU-Kunden. Nach § 18a UStG sind zwar innergemeinschaftliche Lieferungen in der Zusammenfassenden Meldung zu erfassen, Anzahlungen jedoch nicht. In SAP SD haben Anzahlungsaufforderungen oft den Fakturatyp „P“. Mit Tabelle 165 können Sie folgendes Prinzip abbilden: Spezialfall (Fakturatyp „P“) prüfen: Sie hinterlegen in Tabelle 165 für den Fakturatyp „P“ ein Steuerkennzeichen ohne EU-Kennzeichen. Durch das gesetzte Exklusiv-Kennzeichen wird die Suche sofort beendet, sobald ein solcher Konditionssatz gefunden wurde. Der Spezialfall ist behandelt. Bei allen anderen Fakturen (z.B. der Schlussrechnung) wird das System in Tabelle 165 nicht fündig und setzt die Suche in der Tabelle 011 fort, wo der Standardfall geprüft wird und ein Steuerkennzeichen mit gesetztem EU-Kennzeichen ermittelt werden kann.


Abbildung 3: Konditionstabelle 165 enthält unter anderem das Feld Fakturatyp als Inputparameter.

 

🧳Weitere Möglichkeiten im Gepäck

Neben der neuen Standard-Zugriffsfolge TTX1 stehen in SAP S/4HANA je nach Release weitere Vorlagen zur Verfügung:

  • TTX2: Baut auf TTX1 auf und nutzt zusätzlich die Konditionstabelle 166 für die Steuerfindung. Die Tabelle 166 enthält neben den Feldern der Tabelle 165 auch die Region des Lieferwerks und des Warenempfängers. Das ermöglicht spezifischere Regeln, die nicht nur auf Abgangs- und Empfangsland, sondern auch auf einzelne Regionen (z. B. für Nordirland-Transaktionen) differenzieren.
  • TTX3 und TTX4: Sind in jüngeren Releases verfügbar und dienen der Abbildung grenzüberschreitender Umlagerungen. Sie lassen sich alternativ der Konditionsart TTX1 zu ordnen.

FAZIT

Mit der Konditionsart TTX1 ersetzt SAP den langjährigen Standard MWST als Vorschlag für die Steuerfindungskonfiguration und verzichtet dabei auf die selten genutzte Konditionstabelle 078.

Die TTX1 bietet hilfreiche Neuerungen, wie die differenzierte Behandlung verschiedener Fakturatypen. Das ist beispielsweise nützlich bei Anzahlungsaufforderungen an EU-Kunden. Darüber hinaus reagiert SAP auf geänderte Anforderungen (z.B. Nordirlandprotokoll) mit der Zugriffsfolge TTX2, welche die Unterscheidung auf Regionen-Ebene ermöglicht. Beim Umstieg auf SAP S/4HANA sollte daher geprüft werden, ob die neuen Konfigurationen der alten MWST-Lösung vorzuziehen sind.

👉 Es bleibt jedoch anzumerken: Die von SAP ausgelieferte Musterkonfiguration deckt in der Regel nicht alle spezifischen umsatzsteuerlichen Anforderungen ab. Sie dient oft nur als Ausgangspunkt für eine individuell angepasste Steuerfindungslogik.


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