Die Wirtschafts-Identifikationsnummer: Neue Last oder echte Entlastung?
Ein Beitrag von Martin Clemens
Seit November 2024 läuft die erstmalige Vergabe der Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.). Dieses Identifizierungsmerkmal eröffnet erhebliche Chancen zur Vereinfachung von Besteuerungs- und Verwaltungsverfahren und kann sowohl für die Verwaltung als auch für Unternehmen von Vorteil sein. Derzeit jedoch ist für viele Unternehmen, gerade auch aus dem KMU-Bereich, kein Nutzen zu erkennen. Stattdessen sind bürokratische und finanzielle Zusatzlasten zu befürchten. Der Beitrag beleuchtet ausgewählte Punkte.
KERNAUSSAGEN
👉 Die W-IdNr. kann Verwaltung und Unternehmen deutlich entlasten und Prozesse effizienter machen.
👉 Für viele Unternehmen, besonders KMU, sind aktuell jedoch vor allem bürokratische und finanzielle Zusatzlasten zu erwarten.
👉 Der Nutzen hängt davon ab, ob die Verwaltung konsequent modernisiert, bestehende Nummernsysteme abbaut und praxisnahe Klarstellungen bietet.
I. Grundlagen
1. Rechtliche Grundlagen
Die Grundlage für die Zuteilung dauerhafter, unveränderlicher Identifikationsmerkmale wurde mit Einführung der §§ 139a bis 139d AO durch das Steueränderungsgesetz 2003 geschaffen. Während die Identifikationsnummer (IdNr., § 139b AO) für natürliche Personen zum 1.7.2007 eingeführt wurde, hat es bis 2024 und damit mehr als 20 Jahre gedauert, bis auch die Zuteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr., § 139c AO) für wirtschaftlich Tätige gestartet ist.
Am 30.9.2024 wurde die Verordnung zur Vergabe steuerlicher Wirtschafts-Identifikationsnummern (WIdV) nach Maßgabe von § 139d Nr. 2 AO erlassen. Zuständig für die Erteilung der Nummer ist das BZSt. Einzelheiten über die Vergabe und Mitteilung wurden mit Schreiben vom 2.10.2024 öffentlich bekanntgegeben. Weitere Informationen finden sich auf den Internet-Seiten von BMF und BZSt.
2. Betroffener Kreis der „wirtschaftlich Tätigen“
Die W-IdNr. wird an alle wirtschaftlich Tätigen in Deutschland vergeben. Umfasst sind Unternehmen aller Rechtsformen: Natürliche Personen, die wirtschaftlich tätig sind, juristische Personen (z. B. GmbHs, AGs) sowie Personenvereinigungen (z. B. Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften). Für natürliche Personen ist explizit erforderlich, dass sie „wirtschaftlich tätig sind“ (§ 139a Abs. 3 Nr. 1 AO). Dabei gilt laut Gesetzesbegründung eine weite Auslegung: Hiernach sind z. B. Unternehmer i. S. von § 2 Abs. 1 UStG und die zur Meldung nach § 28a SGB IV verpflichteten Arbeitgeber erfasst. Für die Unternehmereigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 UStG ist es ohne Belang, ob die in Rede stehende Tätigkeit nach § 4 UStG steuerbefreit ist.
Juristische Personen sowie Personenvereinigungen gelten – anders als natürliche Personen – gemäß § 139a Abs. 3 Nr. 2 und 3 AO immer als wirtschaftlich Tätige, unabhängig von der im konkreten Einzelfall gegebenen Aktivität.
3. Aufbau der W-IdNr. und des Unterscheidungsmerkmals
Die W-IdNr. besteht aus den Anfangsbuchstaben „DE“ und einer neunstelligen Ziffernfolge. Sie entspricht im Aufbau der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.), ersetzt diese aber nicht. Die W-IdNr. gilt für die Dauer der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit und ändert sich auch bei Änderungen von Stammdaten nicht.
Ergänzend wird der W-IdNr. für jede einzelne wirtschaftliche Tätigkeit ein fünfstelliges Unterscheidungsmerkmal zugeordnet. Bei Vorliegen von mehreren wirtschaftlichen Tätigkeiten, Betrieben und Betriebstätten derselben Person werden vom BZSt ab 1.3.2026 weitere Unterscheidungsmerkmale erteilt (§ 3 Abs. 3 WIdV). Informationen dazu soll es zu gegebener Zeit geben. Bis dahin wird vom BZSt nur das Unterscheidungsmerkmal „-00001“ für die erste wirtschaftliche Tätigkeit vergeben.
Manche Praktiker sind unsicher, ob das Unterscheidungsmerkmal Bestandteil der W-IdNr. ist oder nicht. Viel spricht dafür, dass es getrennte Merkmale sind, da der Wortlaut des § 139c AO klar zwischen W-IdNr. und Unterscheidungsmerkmal unterscheidet. Andererseits ist in der Rechtsverordnung die Rede davon, dass die W-IdNr. am Ende zusätzlich das Unterscheidungsmerkmal „enthält“, was auf eine Einheit hinzuweisen scheint. Eine Klarstellung durch die Verwaltung wäre hilfreich für die praktische Umsetzung in den Unternehmen. Dies ist z. B. bedeutsam für notwendige Änderungen in den unternehmerischen IT-Systemen, um W-IdNr. und Unterscheidungsmerkmal korrekt abbilden zu können.
4. Erstmalige Vergabe
Bei wirtschaftlich Tätigen, denen bis zum 30.11.2024 eine USt-IdNr. erteilt wurde, ist diese zugleich auch als W-IdNr. zu verwenden; dabei wird das Unterscheidungsmerkmal „-00001“ angefügt. Allen anderen wirtschaftlich Tätigen teilt das BZSt seit Dezember 2024 die Nummer ohne Antrag in einem gestuften Verfahren zu. Die Mitteilung soll via ELSTER erfolgen, was eine entsprechende Registrierung voraussetzt. Die erstmalige Vergabe soll im Jahr 2026 abgeschlossen sein.
5. Verpflichtende Anwendung
Nach Abschluss der erstmaligen Vergabe sollen wirtschaftlich Tätige sowie Dritte, die Daten von wirtschaftlich Tätigen an die Steuerbehörden übermitteln, die W-IdNr. bei Anträgen, Erklärungen und Mitteilungen angeben müssen. Eingabefelder in Vordrucken und Formularen werden nach und nach durch die Verwaltung ergänzt. Laut BZSt ist die Angabe der W-IdNr. in steuerlichen Erklärungsvordrucken bis zum Abschluss der erstmaligen Vergabe „optional“ und „vorerst bis zum 31. Dezember 2026 nicht verpflichtend“. Zu beachten ist, dass Steuergesetze die verpflichtende Nutzung der W-IdNr., wenn erteilt, bereits jetzt vorsehen können. Zu nennen ist z. B. die grunderwerbsteuerliche Anzeige (§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 GrEStG).
6. Anwendungsfelder
Bei den Anwendungsgebieten der W-IdNr. ergibt sich eine grobe Dreiteilung:
-
Die Nummer soll der eindeutigen Identifizierung in Besteuerungs- und Verwaltungsverfahren dienen (siehe Abschnitt III.2).
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Sie dient als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer für das Unternehmensbasisdatenregister (siehe Abschnitt III.6).
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Die W-IdNr. kann im Wirtschaftsverkehr und in der Öffentlichkeit zum Einsatz gelangen. Das kann zu Indiz- und Zuordnungswirkungen führen (siehe Abschnitt III.5). Die Anwendung kann sich auch aus nichtsteuerlichen Pflichten ergeben: So müssen Unternehmen, die keine USt-IdNr. haben, ihre W-IdNr. gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 Digitale-Dienste-Gesetz im Impressum angeben, wenn ihnen diese Nummer zugeteilt wurde.
FAZIT
Die Einführung der W-IdNr. eröffnet erhebliche Chancen zum beiderseitigen Nutzen von Verwaltung und Unternehmen – insbesondere für eine Entbürokratisierung, eine verbesserte Kommunikation sowie für effizientere Abläufe.
Ein Gelingen setzt allerdings voraus, dass die Verwaltung die sich ihr bietenden Modernisierungspotenziale auch tatsächlich umsetzt und die hieraus erwachsenden Vorteile mit den Unternehmen teilt (z. B. Once Only, verbesserte Planungs- und Rechtssicherheit durch schnelleren Abschluss von Verfahren). Dabei ist auch ein beherzter und konsequenter Rückbau der bestehenden Nummernsysteme vonnöten. Ansonsten sind zusätzliche bürokratische und finanzielle Lasten sowie Verständnisschwierigkeiten bei Unternehmen, insbesondere auch im KMU-Sektor, zu befürchten. Zu verschiedenen im Beitrag skizzierten Punkten wären Klarstellungen und Nichtbeanstandungsregeln der Verwaltung hilfreich.
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Dies ist eine Kurzfassung des Beitrages aus BBK 16/2025
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