§87a AO und seine Praxisfolgen

ELSTER-Monokultur: Digitaler Rückschritt oder notwendiger Standard? (Teil 1)

Grauer Hintergrund mit Schriftzug Blog und Portraitbild des Autors. Bild: @tax&bytes
🌴 Warum die jĂĽngste § 87a AO-Reform Steuerberater und Anwälte auf die Palme bringt – und was jetzt zu tun ist 

Stellen Sie sich vor, Sie mĂĽssen dringend einen 200-seitigen Einspruch beim Finanzamt einreichen – doch das System erlaubt nur 100 Seiten pro Upload. Willkommen in der Welt des neuen § 87a Abs. 1 Satz 2 AO, der seit Endes Jahres 2024 die Kommunikation mit Finanzbehörden revolutioniert – oder vielmehr: beschneidet. Der am Ende in der Abgabenordnung enthaltene Wortlaut des nach § 87a Abs. 1 Satz 1 AO neu einzufĂĽgenden Satzes 2 lautete wie folgt: 

„Die Ăśbermittlung elektronischer Nachrichten und Dokumente an Finanzbehörden mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder ĂĽber das besondere elektronische Behördenpostfach ist nicht zulässig, soweit fĂĽr die Ăśbermittlung ein sicheres elektronisches Verfahren der Finanzbehörden zur VerfĂĽgung steht, das den DatenĂĽbermittler authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des Datensatzes gewährleistet; dies gilt nicht fĂĽr Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie in den Fällen, in denen die Ăśbermittlung an Finanzbehörden mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder ĂĽber das besondere elektronische Behördenpostfach gesetzlich vorgeschrieben ist.“ 

Während das Bundesfinanzministerium von „Effizienzgewinnen“ schwärmt, stöhnen Anwaltskanzleien über Mehraufwand und Steuerberater über veraltete Technik. Dieser Beitrag enthüllt, warum die gesetzliche Festlegung auf ELSTER/ERiC zum Reizthema wurde, welche Fallstricke im Alltag lauern und wie Sie trotzdem rechtssicher handeln. 

📬 Vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) zu ELSTER: Wie eine Gesetzesänderung die Praxis auf den Kopf stellt 
1. Der digitale Flaschenhals: Warum ELSTER an Grenzen stößt 

„ELSTER ist wie ein Porsche mit Tempomat auf 80 km/h!“, spottet eine betroffene Berufsträgerin, die lieber anonym bleiben möchte. Tatsächlich offenbart die Praxis absurde Limitierungen: 

  • Dateigrößen-Bremse: Maximal 100 Seiten pro PDF – bei komplexen Erbschaftsteuerverfahren ein Albtraum. 

  • Zugangsrisiko: Fristen verstreichen, wenn Systeme Ăśberlastungsfehler melden. 

  • Technische Monokultur: Kanzleien mĂĽssen parallel BeA (fĂĽr Gerichte) und ELSTER (fĂĽr Finanzämter) bedienen – doppelter Aufwand, null Synergie. 

Die technischen Einschränkungen des ELSTER-Systems, wie die Begrenzung der Dateigröße (etwa 100 Seiten pro PDF und maximal 20 Dokumente pro Übermittlung), stellen insbesondere bei komplexen Einspruchs- oder Erklärungsverfahren ein erhebliches Problem dar. Diese Beschränkungen können dazu führen, dass umfangreiche Schriftsätze und begleitende Dokumente nicht in einem einzigen Übermittlungsweg zusammengefasst werden können. Dies führt in der Praxis nicht nur zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand, sondern birgt auch das Risiko, dass Fristen versäumt werden, weil Dokumente in mehreren Einzelnachrichten übermittelt werden müssen. Aus praktischer Perspektive ist es unabdingbar, dass ein elektronisches Kommunikationssystem flexibel auf die Bedürfnisse der Nutzer eingeht. Die starre Begrenzung der Übermittlungsparameter erschwert nicht nur die effiziente Bearbeitung von Vorgängen, sondern unterminiert auch einen zentralen Zweck der Digitalisierung – nämlich die Reduktion von Bürokratie. 

„Wir digitalisieren uns zurück ins Faxzeitalter“, könnte man meinen. Die Crux: Während Gerichte seit dem 1.1.2022 auf das BeA bestehen, verweigern Finanzämter nun genau diesen Kanal – ein digitaler Flickenteppich. Dennoch bleiben zentrale Fragen offen: Es ist in vereinzelten Fällen unklar, ob die alternative Übermittlung über das besondere elektronische Behördenpostfach noch zulässig ist. Insbesondere das Zusammenspiel der Regelungen in § 87a Abs. 1 und 3 AO bedarf einer weiteren Klärung, um den Handlungsspielraum der Beteiligten eindeutig zu definieren. Aus der Perspektive der Praxis empfiehlt sich – insbesondere in Fristsachen – ein vorsichtiger Umgang. In Zweifelsfällen sollten herkömmliche Kommunikationswege wie Post oder Fax genutzt werden, um die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Traurig, aber wahr! 

2. Die versteckte BĂĽrokratiefalle: Mehr Arbeit statt Entlastung

Das Bundesministerium der Finanzen argumentiert mit Entlastung der Behörden – doch die Rechnung zahlen insbesondere Rechtsanwälte und Notare: 

  • Mandantenakquise wird zum Tech-Hindernislauf: Kleinere Kanzleien ohne ELSTER-Anbindung verlieren Wettbewerbsfähigkeit. 

  • Potenzielle Kostenexplosion: Spezialisierte Kanzleisoftware bietet in der Regel keine Anbindung an die ELSTER-Schnittstelle, sodass unter Umständen kostenintensive Updates fĂĽr die ELSTER-Integration notwendig sind. 

Auch in den sozialen Medien war erheblicher Protest zu konstatieren. So fanden sich bei LinkedIn zahlreiche und vielfältige kritische Äußerungen, die den Unmut der Anwaltschaft verdeutlichten. So wurde das Verbot der elektronischen Kommunikation zwischen Anwälten, Steuerberatern und Finanzämtern als Rückschritt in der Digitalisierung kritisiert. Zudem führe die neue Regelung zu übermäßiger Bürokratie und unnötigem Papieraufwand. Die Berufsträger empfanden die Maßnahme als bürgerunfreundlich und ineffizient. Weiterhin wurde bemängelt, dass gesetzliche Fehler und Insellösungen nicht rechtzeitig korrigiert würden. Insgesamt sei die Entscheidung als ein Beispiel für fehlgeleitete Verwaltungspolitik in Deutschland gesehen. 

In Kürze erscheint hierzu der zweite Teil, in dem ich Reformvorschläge zur Digitalisierungsfalle vorstellen werde. 

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