Strategie statt Tool-Vielfalt

"Einige Tools erfüllen nicht mal die grundlegenden Anforderungen"

Gelber Werkzeugkasten mit Symbolen für Recht, Euro und Technik. Bild: KI via canva.com

Ein Beitrag von Stephan Mittelhäuser

Wie beeinflusst die Digitalisierung die Steuerberatung in mittelständischen Beratungshäusern? Karin Kutz, Steuerberaterin und Partnerin bei der Braunschweiger Steuer- und Rechtsberatungsgesellschaft Appelhagen, erläutert im JUVE Steuermarkt-Interview die Digitalstrategie der Gesellschaft – mit Blick auf die Mandanten und den eigenen Steuernachwuchs.

JUVE Steuermarkt: Frau Kutz, wie gehen Sie das Thema Digitalisierung in der Steuerberatung bei Appelhagen an?

Karin Kutz: Digitalisierung ist für uns nicht nur ein technisches Thema, sondern ein strategischer Ansatz, um die betrieblichen Prozesse unserer Mandanten zu optimieren und unsere Mandanten insgesamt besser zu beraten. Wir setzen auf eine strukturierte Einführung digitaler Lösungen und begleiten unsere Mandanten dabei, den für sie passenden Digitalisierungsgrad zu erreichen. Aktuell gibt es unter den Tools keine ,eierlegende Wollmilchsau‘. Viele Programme sind entweder nur für Kleinstgesellschaften ausgelegt und bieten lediglich einen Bruchteil der vorgesehenen Standards. Oder sie unterstützen keine Fremdwährungen – ein erheblicher Nachteil in einer globalisierten Welt. Andere wiederum erfüllen nicht einmal die grundlegenden Anforderungen der GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form, Anm. der Redaktion). Daher analysieren wir stets individuell, welche Software für unseren Mandanten die beste Lösung bietet. Wir agieren in diesem Bereich als Berater und ,digitaler Maßschneider‘.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen brauchen Lösungen für den betrieblichen Alltag, keine Tax-Tech-Träumereien. Wie sieht Ihre Strategie aus?

Wir setzen für unsere Mandanten auf praxisnahe und passgenaue Lösungen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Buchhaltung selbst wieder in die Unternehmen zurückkehren wird, sodass wir Steuerberater uns mehr auf die steuerliche Beratung und die entsprechende Begleitung der digitalen Prozesse fokussieren werden – so wie es unsere Berufsbezeichnung auch mit sich bringt. Digitalisierung ist für uns, wie gesagt, ein strategischer Ansatz – für und mit unseren Mandanten. Unser Ziel ist es, Digitalisierung nicht um der Digitalisierung willen voranzutreiben und damit zusätzliche Prozesse und Mehrarbeit in den Unternehmen zu schaffen. Sondern mit der Digitalisierung dort anzusetzen, wo sie Prozesse verbessert und Effizienzgewinne schafft.

Ohne eine zutreffende steuerrechtliche Basis ist auch die beste digitale Lösung nutzlos.
Wie macht sich das Thema Digitalisierung bei Ihnen in der Ausbildung bemerkbar? Haben Sie dafür spezielle Programme?

Ein tiefgehendes steuerrechtliches Verständnis bleibt weiter die Grundlage für eine erfolgreiche Karriere in der Steuerberatung. Digitalkompetenz ist ein wichtiges Zusatzwerkzeug, das unsere steuerliche Fachkenntnis ergänzt, aber niemals ersetzen kann. Daher liegt unser Fokus in der Ausbildung klar auf der Vermittlung fundierter steuerlicher Kenntnisse. Neben der klassischen Ausbildung der Steuerfachangestellten bieten wir vor allem duale Studiengänge mit dem Schwerpunkt Steuern und Prüfungswesen in Kooperation mit einer Braunschweiger Hochschule. Ergänzend dazu fördern wir Fortbildungen und Zertifizierungen wie die Zertifizierte Fachkraft für Digitalisierung & IT oder die Zertifizierte Fachkraft für das Umsatzsteuerrecht. Zudem unterstützen wir ein berufsbegleitendes LL.M.-Studium, um unsere Mitarbeitenden sowohl in steuerlichen als auch digitalen Themen umfassend weiterzubilden. Unsere Philosophie: Digitalisierung als sinnvolles Werkzeug nutzen, nicht als Selbstzweck.

Eine Fortbildung wie der FAIT ist noch zu sehr auf den klassischen Steuerfachangestellten ausgerichtet.
Was könnte man in der Aus- und Fortbildung noch tun, um Steuerexperten Digital- und Prozessthemen näherzubringen?

Es ist entscheidend, digitale Schulungskonzepte frühzeitig in die steuerliche Ausbildung zu integrieren. Bereits in der Berufsausbildung und im Studium sollten Themen wie Prozessautomatisierung, Datenanalyse und digitale Mandantenkommunikation eine größere Rolle spielen. Auch gezielte Fortbildungen zu digitalen Transformationsprozessen in der Steuerberatung sind essenziell, um Fachkräfte optimal auf die zukünftigen Anforderungen vorzubereiten. Eine Fortbildung wie der Fachassistent Digitalisierung und IT-Prozesse (FAIT) ist grundsätzlich ein sinnvoller Ansatz, jedoch in der aktuellen Form noch zu sehr auf die Arbeit des klassischen Steuerfachangestellten ausgerichtet. Angesichts der zunehmenden Automatisierung und des wachsenden Einflusses von Künstlicher Intelligenz (KI) wäre eine breitere und praxisorientiertere Ausbildung wünschenswert, die über organisatorische und technische Tätigkeiten hinausgeht. Denn der Schwerpunkt unserer Tätigkeit muss weiterhin auf dem steuerlichen Fachwissen fußen, da ohne zutreffende steuerrechtliche Basis auch die beste digitale Lösung nutzlos ist.

Wie stehen Sie zur KI-Technologie? Welches Potenzial für KI in der Steuerberatung sehen Sie aktuell und in Zukunft?

KI ist ein wertvolles Hilfsmittel in der Steuerberatung. Wir nutzen beispielsweise NWB Kira, ChatGPT oder die automatische Belegerkennung der DATEV und haben erste Versuche mit den Tools von Taxy.io unternommen. Allerdings stoßen diese Systeme derzeit noch an ihre Grenzen, da KI auf bestehendem Wissen basiert und nicht konstruktiv in die Zukunft denken kann. Eine individuelle steuerliche Beratung kann sie daher nicht ersetzen. Zudem beunruhigt mich, wie groß das Vertrauen in KI-Tools bereits ist. Im letzten Jahr wurde auf einer Konferenz zum Beispiel von Seiten der Finanzverwaltung berichtet, dass deren KI-System aktuell noch auf dem kognitiven Niveau eines dreijährigen Kindes operiert. Skepsis ist hier also angebracht. Ein weiteres Beispiel für ChatGPT: In Tests haben wir festgestellt, dass KI-Modelle Urteile und Aktenzeichen täuschend echt erfinden können. Ohne genaue Prüfung könnten solche Fehler unbemerkt bleiben, da KI sehr überzeugend formuliert. Dennoch: KI bietet großes Potenzial für standardisierte Aufgaben und hilft beim Brainstorming oder der Ideenfindung.

Abstimmungen und ein gewisses Maß an ,Trial and Error‘ sind bei KI unvermeidlich.
Inwieweit wird sich durch KI der Beruf des Steuerberatenden verändern?

Die Steuerberatung wird sich zweifellos weiterentwickeln. Wichtig ist, dass wir sowohl unsere Mandanten als auch unsere Mitarbeitenden auf diesem Weg mitnehmen. Abstimmungen und ein gewisses Maß an ,Trial and Error‘ sind unvermeidlich, um zu einer guten Gesamtlösung zu kommen. Routineaufgaben wie Buchhaltung und Steuerdeklarationen werden zunehmend automatisiert, wodurch sich der Fokus stärker auf beratende Tätigkeiten, strategische Planung und Risikomanagement verlagert. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an digitale Kompetenzen und ein tiefgehendes steuerliches Prozessverständnis. Letztlich bleibt die Steuerberatung aber ein Beruf, der von Fachwissen, Vertrauen und individueller Beratung lebt. Und genau das wird auch in Zukunft unser größter Mehrwert sein.

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