"Wir können Innovationen schneller aufgreifen als der Wettbewerb"
Ein Beitrag von Daniel Lehmann
Boutique-Gründungen im Steuermarkt sind selten – vor allem, wenn es um das Thema Tax Tech geht. Im bayerischen Eckenthal bei Erlangen haben sich nun fünf Berater – allesamt mit einem MINT-Hintergrund – zusammengetan und kallman gegründet. Das Beratungsunternehmen befasst sich vor allem mit der Integration von Umsatzsteuerprozessen in SAP-Systeme. JUVE Steuermarkt sprach mit den Gründern Martin Grote und Lars Bohn über die Motivation und über die Vorteile, die kleine Einheiten gegenüber Wettbewerbern wie den Big Four in Sachen Tax Tech haben.
JUVE Steuermarkt: Wie kam Ihnen die Idee, ein gemeinsames Beratungsunternehmen zu gründen?
Martin Grote: Die Gründe liegen auf der Hand. Wir sind alle Experten im Bereich VAT-Technology und kennen die Mitbewerber sowie die Tool-Anbieter im Umsatzsteuerbereich. Es gibt etwa eine Handvoll großer Player auf dem Markt, die Softwarelösungen im Bereich Umsatzsteuer herstellen. Wir sind an der Schnittstelle zwischen Steuerabteilung und IT unserer Mandanten tätig, denn als kallman sind wir kein Hersteller, sondern Berater und Implementierer. Den Softwareherstellern fehlt es oft an personellen Ressourcen, aber auch an steuerlichem und länderspezifischem Fachwissen. Ähnlich sieht es in den IT-Abteilungen unserer Mandanten aus. Die Mitarbeitenden der Steuerabteilungen bringen im IT-Bereich, insbesondere in Bezug auf SAP, häufig kein tiefgehendes Fachwissen mit. Zudem sehen viele Unternehmen nicht, dass die Implementierung, zum Beispiel einer Steuerfindungslösung, neben dem Einführungsprojekt auch bedeutet, die künftige Wartung und Pflege zu organisieren.

Wir kommen aus einer extremen Tax-Tech-Nische.
Im Markt heißt es aber doch oft, dass Tax Tech personelle Schlagkraft und finanzielle Ressourcen braucht. Auch deshalb sind die großen Firmen hier Vorreiter und kleine Einheiten eher selten. Wie stemmen Sie das alles?
Lars Bohn: Wir haben es genau andersherum erlebt. Früher bei TLI haben wir uns Spezialwissen angeeignet und IT-Produkte aufbereitet, was die Big Four teilweise nicht können. Deshalb haben wir Mitarbeitende von dort früher auch geschult.
Grote: Wir haben das damals bei TLI vorwiegend für Berater gemacht und waren gleichzeitig Softwarehersteller. Nun sind wir wieder reiner Berater und Implementierer. Wir haben ein eigenes SAP-System und Entwickler an Bord, was die meisten Beratungsunternehmen im Steuerumfeld nicht haben. Wir kommen aus einer extremen Tax-Tech-Nische. Es stimmt, dass es ohne einen geeigneten Stamm an Mitarbeitenden schwierig ist, aber wir sind fünf Gründer und schon bald sieben Mitarbeitende. Unsere Vorteile gegenüber den großen Mitbewerbern in dem Umfeld sind, dass wir durch geringen Overhead und schlanke Verwaltung kurzfristiger agieren und Innovationen schneller aufgreifen können.

Trotzdem haben wir natürlich auch steuerliches Know-how. Wir müssen mit den Mandanten auf Augenhöhe sprechen können.
Grote: Man muss zwar auch im normalen Steuerrecht auf dem Laufenden bleiben, aber beim Thema Technologie ist das noch schwerwiegender, da die Veränderungen häufig umfangreich und sehr folgenreich sind. Schulungen sind notwendig, aber die Partner in großen Einheiten achten oft eher auf kurzfristige finanzielle Ziele. Die wenigsten haben Qualitäts-Know-how in den technischen Disziplinen. Daher kam schon aus verschiedenen Richtungen die Frage nach einer Boutique hoch, die Implementierungen durchführen kann. Wir schließen diese Lücke.
Sie kennen sich alle aus der gemeinsamen Zeit bei TLI Consulting, die Ende 2021 von Sovos, einem Anbieter von TCMS-Software, gekauft wurde. Sie haben also alle einen ähnlichen Background. Unterscheiden sich die Profile bei Ihnen trotzdem?
Bohn: Viele von uns sind Wirtschaftsinformatiker. Ein Gründer hat seine Wurzeln in der Industrie, ein weiterer Kollege ist reiner IT-ler.
Grote: Die gemeinsame Vergangenheit bei TLI ist sicherlich entscheidend. Aber natürlich haben wir auch umsatzsteuerliches Fachwissen. Ich bin in der Umsatzsteuer-Abteilung von PwC groß geworden. Die Beziehungen, die wir zu anderen Beratern haben, sind weiterhin wichtig für unser Geschäft.
Wie funktioniert eine Boutique wie kallman komplett ohne einen Steuerberater?
Grote: Sehr gut. Die Mandanten wollen auch gar nicht unbedingt Steuerberatung. Wenn wir von SAP sprechen, sind das häufig große Kunden. Der Mittelstand wird zwar auch interessanter. Die meisten Unternehmen, für die wir arbeiten, haben aber eine eigene Steuerabteilung und sprechen vieles bereits mit ihrem Steuerberater ab. Bei uns geht es dann um die Umsetzung. Sprich: Die Kunden haben Ahnung von der Umsatzsteuer, und wir müssen das in deren Systemen umsetzen.
Bohn: Trotzdem haben wir natürlich auch steuerliches Know-how. Wir müssen mit den Mandanten auf Augenhöhe sprechen können.
Grote: Was uns besonders macht: Wir brauchen und haben die Herstellerunabhängigkeit von Drittanbietern. Wie ich eingangs sagte, gibt es eine überschaubare Anzahl dominierender Hersteller für Umsatzsteuersoftware. Für die Mandanten ist es interessant, Berater zu finden, die alle Anbieter kennen. Unabhängigkeit bedeutet, nicht nur mit einem Partner zusammenzuarbeiten. Größere Gesellschaften arbeiten häufig faktisch exklusiv, was nicht immer der größte Vorteil ist. Denn nicht immer passt die Lösung A zum Mandanten B.
Wie sieht Ihr typischer Mandant aus?
Grote: Das sind häufig große Unternehmen. Kleinere haben nicht unbedingt die komplexen umsatzsteuerlichen Transaktionen. Zu 90 Prozent sind es Mandanten, die mit SAP arbeiten. Wir machen nicht allgemein Tax Tech und ERP, sondern hauptsächlich SAP. Wir könnten auch andere Dinge abbilden, aber unsere Mandantschaft fragt das selten nach. Außerdem ist SAP nicht gleich SAP, hier gibt es eklatante Unterschiede in der Nutzung von bestimmten Funktionen und Prozessen wie auch in der Konfiguration – und hier bringen wir die nötige Erfahrung mit.
Wie soll die Zukunft von kallman aussehen? Andere Tax-Tech-Boutiquen am Markt, wie zum Beispiel Greenfield aus Bonn, sind fachlich breiter aufgestellt und nicht nur auf das Thema Umsatzsteuer fokussiert. Ist das eine mögliche Blaupause?
Grote: Wir kennen Greenfield und ergänzen uns da auch. Wenn es um zum Beispiel Quellensteuer-Themen geht, leite ich diese gerne an Greenfield weiter. Und die Umsatzsteuer hat einiges zu bieten. Wir decken das gesamte Umsatzsteuerfeld ab: von der Steuerfindung bis zum Reporting. Eine weitere Möglichkeit wäre, ins Ausland zu gehen und dort unser Geschäft zu erweitern. Man muss nicht unbedingt in der fachlichen Breite wachsen, auch wenn wir es nicht gänzlich ausschließen wollen.
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