Rollen klar definieren und leben

Wer macht’s eigentlich? Process Owner, Data Owner, System Owner – und der Rest?

Grauer Hintergrund mit Schriftzug Blog und Portraitbild des Autors. Bild: @tax&bytes

In modernen Organisationen wimmelt es nur so von Rollen: Process Owner, Data Owner, System Owner, Business Owner. Früher oder später stellt dann jemand die Frage: „Und wer arbeitet hier eigentlich noch?“ 

Diese Frage mag provokant klingen, trifft aber einen wunden Punkt: In vielen Unternehmen gibt es eine wachsende Zahl an Verantwortlichen, Rollen und Entscheidungsträgern. Doch anstatt für Klarheit zu sorgen, führt das oft zur Verwirrung – und ehrlichem Frust. 

🕵️‍♂️ Was steckt dahinter? 

Viele der genannten Rollen haben durchaus ihre Berechtigung. Organisationen benötigen klare Strukturen, um in einer komplexen Welt bestehen zu können. Doch warum schaffen diese Rollen allein oft keine Klarheit? Trotz definierter Zuständigkeiten bleiben Verantwortlichkeiten diffus, Abläufe hängen und Entscheidungen verzögern sich. In der Praxis zeigt sich also ein anderes Bild: 

Größe vs. Agilität 

Start-ups leben von Geschwindigkeit und Pragmatismus. Mit dem Wachstum kommen jedoch auch neue Anforderungen: Governance, Compliance, Skalierbarkeit. Hieraus resultieren neue Strukturen, die zwangsläufig auch neue Rollen mit sich bringen. Deshalb hinkt der in Unternehmensdiskussionen oft bemühte Start-up-Vergleich nicht selten. 

Aufbau- vs. Ablauforganisation 

Was auf dem Papier gut aussieht, muss im Alltag auch funktionieren. Es hilft wenig, wenn die Aufbauorganisation durchdacht ist, die Abläufe aber stocken – weil niemand entscheidungsbefugt ist oder alle nur ihren eigenen Bereich im Blick haben. 

Theorie vs. Praxis 

Theoretische Rollenkonzepte funktionieren nur, wenn sie auch gelebt werden, und zwar nicht nur in PowerPoint-Präsentationen, sondern im Alltag. 

🛒 Ein Webshop – viele Rollen: Praxisbeispiel 

Ein Unternehmen plant, einen neuen Vertriebskanal in Form eines Webshops einzuführen. 
Was auf den ersten Blick nach einem überschaubaren Projekt aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung  als komplexe organisatorische Herausforderung. Der Webshop selbst übernimmt nicht nur die Darstellung der Produkte, sondern auch die Verwaltung von Kundenkonten und Bestellungen. Im Hintergrund ist ein separates System für die Fakturierung zuständig, das alle Bestellvorgänge in Rechnungen überführt. Parallel dazu kommt ein ERP-System zum Einsatz, das die Logistikprozesse koordiniert, die Buchhaltung unterstützt und das Treasury abwickelt. 

So entsteht eine vielschichtige Systemlandschaft mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten – und damit auch mit einer Vielzahl an Rollen, die klar definiert und sinnvoll aufeinander abgestimmt werden müssen.

Und jetzt wird es spannend: 

  • Wer ist der Process Owner? Es gibt mehrere: für Bestellung, Lieferung und Zahlung. 

  • Wer ist der Data Owner? Unterschiedliche Daten, unterschiedliche Verantwortliche. 

  • Wer ist der System Owner? Verschiedene Systeme – verschiedene „Owner“. 

  • Wer ist der Business Owner? Vertrieb, IT und Buchhaltung sind alle betroffen.  

Machen diese Rollen trotzdem Sinn? 

Die Antwort lautet: Ja, allerdings nur, wenn die Rollen klar definiert sind und im Alltag tatsächlich gelebt werden.  

Rollen wie Process Owner, Data Owner oder System Owner sind nur dann nützlich, wenn die dahinterstehenden Personen ihre Verantwortung aktiv wahrnehmen und nicht nur auf dem Organigramm aufgeführt sind. Denn in komplexen Strukturen kann niemand allein den Überblick behalten oder sämtliche Entscheidungen treffen. Es braucht klar benannte Zuständigkeiten, um Abstimmungen effizient zu gestalten und Silodenken zu vermeiden. Nur durch eine bewusste Aufteilung von Verantwortung lässt sich die wachsende Komplexität moderner Organisationen beherrschen.

Typische Fallstricke bei Rollenkonzepten 

Trotz guter Absicht scheitern viele Rollenmodelle an der Realität: 

❌ Zu viele Entscheider, zu wenig Umsetzer

❌ Formale Rollen ohne echte Verantwortung

❌ Unklare Prioritäten und widersprüchliche Ziele 

❌ Mangelnde Kommunikation oder Vertrauen 

❌ Persönlichkeiten, die eher blockieren als verbinden 

❌ Unvollständigkeit, keine Gesamt-Betrachtung der Daten-, System- und Prozesslandschaft 

❌ Bereichsdenken, IT vs. Business, Business vs. Fachfunktionen 

❌ Und manchmal: einfach zu viel Theorie 

Was in der Praxis funktioniert 

Ich habe viele Varianten erlebt: Organisationen ohne klare Rollen, mit überformalen Konzepten, mit informellen „Kümmerern“ oder mit echten Kollaborationsteams. 
Aus meiner Sicht zeigt die Praxis, dass bestimmte Prinzipien besonders hilfreich sind: 

✅ Realitätscheck statt Rollen vom Reißbrett. Rollenkonzepte sollten nicht theoretisch entworfen, sondern an die konkreten Gegebenheiten der Organisation angepasst werden. 

✅ Ziele gemeinsam definieren – nicht nur Zuständigkeiten. Wer gemeinsam an klaren Zielen arbeitet, schafft mehr Verbindlichkeit als durch die bloße Aufteilung von Aufgaben. 

✅ Rollenkonzepte nicht nur aus regulatorischem Zwang (z. B. ICS, TCMS) ableiten. Strukturen sollten nicht nur aus regulatorischem Zwang entstehen, sondern weil sie einen echten Beitrag zur Zusammenarbeit leisten. 

✅ Menschen einsetzen, die sich ergänzen und Zusammenarbeit schätzen. Entscheidend ist nicht die formale Rolle, sondern ob die beteiligten Personen im Team funktionieren und gemeinsam Verantwortung tragen. 

✅ Entscheidungen, Betrieb und Umsetzung im Gesamtzusammenhang bewerten. Rollenmodelle entfalten nur dann Wirkung, wenn sie alle Ebenen der Organisation berücksichtigen. Von der strategischen Entscheidung bis zur operativen Umsetzung. 

✅ Nach der Konzeption die Realität testen – mit unbeteiligten Kolleg:innen und den kritischen Geistern, die man sonst lieber umgeht. Ein ehrlicher Praxistest mit externem Blick hilft, blinde Flecken frühzeitig zu erkennen und Rollenkonzepte alltagstauglich zu machen. 

Wird dann alles gut? 

Natürlich nicht. Rollen und Prozesse sind kein starres Korsett, sondern ein flexibles Gerüst, das mit der Organisation wächst. Es bleibt ein fortlaufender Prozess aus Zusammenarbeit, Nachbessern, Priorisieren und Hinterfragen. 

FAZIT

Klarheit durch gelebte Verantwortung 

Ich halte Prozessorganisationen für wichtig und machbar. Sie benötigen jedoch die richtigen Rahmenbedingungen, eine gewisse Reife und vor allem den Willen zur Kooperation. 

Nicht jede Rolle muss durch eine eigene Person besetzt werden. Manche Rollen lassen sich auch zusammenführen.  Aber: Es braucht keine „Highlander“, sondern Teams!  Menschen, die Verantwortung nicht nur haben, sondern auch leben. 

Und manchmal hilft auch einfach ein ehrlicher Satz wie: „Wer macht das jetzt eigentlich?“ Denn: Klarheit beginnt mit Kommunikation. 

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