KI kann Steuerberater: Was bedeutet das für die Ausbildung?
Ein Beitrag von Daniel Lehmann
Dass eine KI das Steuerberaterexamen besteht, wäre vor wenigen Jahren noch als Science-Fiction abgetan worden. Jetzt hat eine vom Start-up Taxy.io entwickelte, KI-gestützte Software die Prüfung bestanden. Wir haben nachgefragt, was diese Entwicklung für Fachkräftemangel und Ausbildung bedeutet.
Einige Einheiten haben auch deshalb nicht an der Umfrage teilgenommen, weil sie in der Mitteilung von Taxy.io bloß eine gute Marketingstrategie sehen. Schließlich, so der Tenor, würde doch mittlerweile jeder halbwegs gut funktionierende Chatbot das Steuerberaterexamen bestehen, wenn man ihn nur mit den richtigen Prompts füttere.
Umso stärker müssen sich die Beratungsgesellschaften künftig damit beschäftigen, wie sich KI auf den Fachkräftemangel und die Ausbildungsprogramme sowie Förderungen zum Steuerberaterexamen auswirkt.
Wir haben daher nachgefragt. Lesen Sie heute die Antworten von Partnern von Forvis Mazars und Flick Gocke Schaumburg. Nächste Woche positionieren sich zwei weitere Beratungsgesellschaften. Denn in einem sind sich alle einig: KI wird sich auf alle Geschäftsmodelle im Steuermarkt auswirken.
Co-Leiter des Geschäftsbereichs Tax & Accounting von Forvis Mazars
Wir integrieren KI-Grundlagen in unsere Curricula.
Was bedeutet diese Entwicklung für den Fachkräftemangel? Oder anders gefragt: Wird KI aus Ihrer Sicht nun auch weitgehende Aufgaben eines Steuerberaters übernehmen können?
Die aktuelle Entwicklung adressiert den anhaltenden Fachkräftemangel auf zweierlei Weise: Einerseits entlasten KI-Systeme unsere Teams von standardisierten und repetitiven Tätigkeiten – von Plausibilitätsprüfungen bis hin zur Erstellung fristenbasierter Steuerberechnungen. So gewinnen wir wertvolle Kapazitäten für komplexe Beratungsmandate. Spezialisierte KI wird in der Tat eine immer stärkere, unterstützende Rolle in der Datenanalyse, im Workflow-Tracking oder bei Auswertungsvorschlägen spielen.
Volle Entscheidungskompetenz verbleibt jedoch bei unseren Steuerberaterinnen und Steuerberatern, etwa wenn es um gesetzliche Auslegungsfragen oder die strategische Mandantenberatung geht. Anders gesagt: KI wird die Effizienz und Präzision unserer Dienstleistungen stetig verbessern, während der Mensch mit Erfahrung, Urteilsvermögen, Empathie und ethischer Verantwortung das Herzstück bleibt. Es geht also um die optimale Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine zum Wohle der Mandanten.
Was bedeutet dies für Ihre Ausbildungsprogramme?
Aus der technologischen Dynamik leiten wir konkrete Anpassungen unserer Aus- und Weiterbildungsprogramme ab: Wir integrieren KI-Grundlagen – von Machine-Learning-Architekturen bis hin zu Datenethik – in unsere Curricula, etablieren KI-Labs mit realitätsnahen Datensätzen und fördern gezielt die sogenannten Soft Skills, die für die Rolle eines KI-Kurators und Mandantenkommunikators unerlässlich sind.
Was bedeutet dies für Ihre Förderung des Steuerberaterexamens?
Wir werden unser internes Fördermodell für angehende Steuerberaterinnen und Steuerberater weiter ausbauen. Neben finanziellen Zuschüssen und gezielten Freistellungen ermöglichen automatisierte Lernplattformen individuelles Feedback und unternehmensweite Lerngruppen mit erfahrenen Mentorinnen und Mentoren.
In Kombination mit modernem KI-Know-how schaffen wir damit optimale Rahmenbedingungen für das Examen und verbinden klassische Beratungsexzellenz mit zukunftsweisender Technologie. Die Steuerberatung der Zukunft ist nicht "Mensch oder Maschine", sondern "Mensch UND Maschine".
Managing Partner von Flick Gocke Schaumburg
KI wird bis zu 70 Prozent der Routinetätigkeiten übernehmen.
Was bedeutet diese Entwicklung für den Fachkräftemangel? Oder anders gefragt: Wird KI aus Ihrer Sicht nun auch weitgehende Aufgaben eines Steuerberaters übernehmen können?
Die Nachricht, dass eine KI das Steuerberaterexamen bestanden hat, ist aus unserer Sicht keine Überraschung. Wir beobachten viele bereits heute verfügbare Generative KI-Modelle, die wie Taxy.io ein entsprechendes Potential haben. Aktuell steht der Berufsstand des Steuerberaters vor einer enormen demografischen Herausforderung: Das Durchschnittsalter der Steuerberaterinnen und Steuerberater beträgt aktuell 53,6 Jahre (Quelle: BStBK-Berufsstatistik 2023). Der daraus resultierende Fachkräftemangel wird durch technologische Lösungen zwar nicht vollständig kompensiert, aber voraussichtlich deutlich abgemildert. Wir gehen davon aus, dass künftig bis zu 70 Prozent der Routinetätigkeiten – insbesondere im Bereich der Datenerfassung und -aufbereitung – durch KI automatisiert werden kann.
In der Praxis bedeutet das eine Effizienzsteigerung von bis zu 60 Prozent, was den hohen Zeit- und Arbeitsdruck in vielen Kanzleien spürbar abfedern könnte. Besonders profitieren oder besonders betroffen sein werden Kanzleien mit hoher Fallzahl und einem hohen Anteil von Routineaufgaben, wie dies etwa im Bereich Compliance der Fall ist.
Gleichzeitig gilt: Der Beruf des Steuerberaters ist rechtlich geschützt und in seiner Gänze nicht ersetzbar. Als Berufsträger unterliegen Steuerberater spezifischen berufsrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Pflicht zur gewissenhaften Ausübung des Mandats. Dazu gehört auch, KI-generierte Inhalte bewusst als solche wahrzunehmen und sorgfältig auf Plausibilität und Korrektheit zu prüfen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einfluss von KI stark vom Profil der jeweiligen Kanzlei abhängt. Dort, wo standardisierte Prozesse dominieren, werden Automatisierungseffekte besonders stark spürbar sein. Kreative, individuelle Beratungsleistungen – etwa komplexe Argumentationen vor dem EuGH – erfordern hingegen hohes Erfahrungswissen und analytische Fähigkeiten, die Maschinen nicht leisten können. Der "Human Factor" bleibt außerdem erfolgsentscheidend und gewinnt womöglich noch weiter an Bedeutung – nicht nur in der Analyse, sondern auch in der Kommunikation mit Mandanten, die weiterhin das persönliche Gespräch schätzen und brauchen.
Was bedeutet dies für Ihre Ausbildungsprogramme?
Die Berufsausbildung im Steuerwesen befindet sich in einem grundlegenden Evolutionsprozess. Künftig müssen angehende Beraterinnen und Berater nicht nur steuerliches Fachwissen erwerben, sondern auch verstehen, wo und wie KI sinnvoll eingesetzt werden kann. Zu dieser integralen KI-Kompetenz gehört auch das Entscheidungsvermögen, wann der Einsatz von KI überhaupt sinnvoll ist und wann nicht.
Weiterhin verändert sich nicht nur der Inhalt, sondern auch die Methodik der Ausbildung: Klassische ‚handwerkliche‘ Fähigkeiten – etwa das strukturierte Erschließen umfangreicher Aktenordner oder das Einsortieren loser Blattsammlungen – treten zurück, digitale Arbeitsweisen werden zur Norm. Dieser Wandel beginnt bereits bei der Prüfung selbst: Die Steuerberaterkammer Sachsen etwa wird ab 2026 das Examen vollständig digital durchführen.
Gleichzeitig bietet KI auch Chancen für die Lernenden: Adaptive Lernsysteme können gezielt auf individuelle Schwächen eingehen, Wiederholungen intelligent steuern und so effizientere Lernprozesse ermöglichen. Eine mögliche Gefahr könnte sein, dass junge Menschen in der Berufsausübung zu früh als ‚KI-gestützt effizient‘ eingesetzt werden – und somit ihre Chancen eingeschränkt werden, sich in der Breite und Tiefe fachlich zu entwickeln. Wir möchten diesem Risiko aufmerksam begegnen und setzen dabei insbesondere auf die Weiterentwicklung der Fähigkeiten, die für komplexe Mandatsarbeit unabhängig vom Umgang mit KI wichtig sind.
Dazu gehört das Verständnis für den schöpferischen Aspekt des Berufs – etwa das strategische Herleiten von Argumentationen – das weiterhin bewusst vermittelt werden muss, denn KI liefert keine juristisch und steuerlich kreative Intuition. Auch Fähigkeiten wie Empathie, Fingerspitzengefühl und die menschliche Einordnung komplexer Situationen sind für die Pflege langjähriger, im Fall unserer Sozietät teils jahrzehntelanger Mandatsverhältnisse, unerlässlich.
Was bedeutet dies für Ihre Förderung des Steuerberaterexamens?
KI-gestützte Lernhilfen bieten neue Wege in der Examensvorbereitung. Programme wie Taxpeer zeigen, wie gezielte Schwächenanalyse und personalisierte Lernpfade aussehen können.*
Gerade Beratungsunternehmen, die wie die Big Four einen umfangreichen ‚Ausbildungsbetrieb‘ unterhalten, gewinnen hier neue Möglichkeiten, um Berufseinsteiger effizienter auf das Examen vorzubereiten und individuell zu fördern. KI-Tools erlauben es außerdem, Lernprofile zu erstellen und Potenziale sichtbar zu machen. Das erleichtert nicht nur die gezielte Förderung, sondern auch die strategische Personalentwicklung – ein Aspekt, der mit Blick auf den Fachkräftemangel zunehmend an Bedeutung gewinnt.
KI-Tools werden sicherlich kurzfristig auch bei den klassischen Ausbildungsinstituten, deren Unterstützung die Vorbereitung zum Steuerberaterexamen von den angehenden Steuerberaterinnen und Steuerberatern wahrgenommen wird, Einzug halten. Es ist gut vorstellbar, dass wir die klassische finanzielle und zeitliche Förderung durch KI-Tools ergänzen werden.
Aktuell sind wir mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in der Vorbereitung auf das Steuerberaterexamen befinden, in entsprechendem Austausch. Wie im Gesamtmarkt sehen wir hier eine sehr große Dynamik.
*Transparenzhinweis: Taxpeer wurde von Fabian Mantsch, einem ehemaligen Mitarbeiter unserer Sozietät, mitgegründet
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