Vertrauen, Verantwortung und der Weg zur digitalen Steuerberatung

Wie Künstliche Intelligenz künftig die Steuerpraxis beeinflusst!

Grauer Hintergrund mit Schriftzug Blog und Portraitbild des Autors. Bild: @tax&bytes

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die steuerliche Beratung und wird zunehmend zum Bestandteil der Kanzleiarbeit. Große Sprachmodelle wie ChatGPT demonstrieren beeindruckendes Sprachverständnis, doch in der Praxis stellt sich eine zentrale Frage: Wie lassen sich KI-Tools sinnvoll, sicher und rechtskonform einsetzen? 

Vor dem Hintergrund eines stark regulierten Rechtsgebiets wie dem Steuerrecht stehen Zuverlässigkeit, Rückverfolgbarkeit und Datenschutz an oberster Stelle. Der Schlüssel liegt in der Kombination aus technischer Innovation und klarer Governance. 

An dieser Stelle kommt „Digital Trust“ ins Spiel. Dieser Modellierungsansatz betont die systematische Herstellung von Vertrauen in digitale Anwendungen durch technische, organisatorische und rechtliche Maßnahmen, die einerseits Risiken minimieren und andererseits die nachhaltige Nutzung digitaler Innovationen ermöglichen.  

🧠 Vom Universalmodell zum Fachspezialisten  

Große Sprachmodelle („Large Language Models“, LLMs) sind so trainiert, dass sie generische Antworten auf eine Vielzahl von Fragen liefern können. Sie nutzen breit gefächerte Textkorpora und lernen Muster und Wahrscheinlichkeiten aus der Sprache. 

Doch in Fachdomänen wie dem Steuerrecht zeigen sie Schwächen – sie sind oft ungenau, veraltet oder rechtlich unpräzise. Selbst bei scheinbar einfachen Fragestellungen können sie Rechtsnormen verfrüht interpretieren, Standardfälle falsch einschätzen oder auf überholte Rechtsquellen zurückgreifen. Zusätzlich bleibt der Entscheidungspfad oft verborgen, was in juristischen Kontexten risikobehaftet ist. 

Die Lösung: 

Domänenspezifische Sprachmodelle, also KI-Systeme, die gezielt auf steuerrechtliche Inhalte trainiert werden, bspw. im Hinblick auf Kommentarliteratur, Urteile, Verwaltungsanweisungen, Fachaufsätze und normativ relevante Rechtsquellen. Diese spezialisierten Modelle bauen auf einer kuratierten, qualitativ hochwertigen Datenbasis auf, die regelmäßig geprüft und aktualisiert wird. Dadurch entstehen bessere Ergebnisse im Hinblick auf Präzedenzfälle, Rechtsgrundlagen oder konkrete Anwendungsvoraussetzungen. 

Die Vorteile: 
  • höhere Genauigkeit durch geprüfte Trainingsdaten
  • besserer Datenschutz durch lokale Einsetzbarkeit
  • geringerer Ressourcenverbrauch
  • kürzere Reaktionszeiten – z. B. bei Echtzeit-Recherche
🔧 Vertrauen braucht Struktur: Digital Trust in der Praxis 

KI-Systeme in der Steuerberatung dürfen keine Black Box bleiben. Um Vertrauen bei Beratern und Mandanten zu schaffen, ist ein Governance-Rahmen erforderlich. Unter dem Stichwort „Digital Trust“ bündeln sich technische, organisatorische und rechtliche Maßnahmen, die verlässliche KI-Anwendungen ermöglichen. Ein transparenter, auditierbarer Verlauf von Entwicklung, Implementierung, Einsatz und laufender Überwachung fördert die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und die Einhaltung regulatorischer Vorgaben. 
 
Ein praxistauglicher Ansatz ist das „Digital Trust Ecosystem Framework (DTEF)“ der ISACA („Internationaler Dachverband für IT-Revisoren, Wirtschaftsprüfer sowie Experten der Informationssicherheit und IT-Governance“). Es strukturiert Vertrauen entlang des gesamten KI-Lebenszyklus:

1. Planung - Ziele, Rechtsrahmen und ethische Prinzipien definieren. 

2. Datenbereitstellung - Nur geprüfte Quellen zulassen. Verzerrungen (Bias) erkennen. Vielfalt und Qualität dokumentieren. 

3. Entwicklung - Feintuning auf Steuerbegriffe, Monitoring von Validierungsdaten, Vermeidung von Überanpassung (Overfitting). 

4. Betrieb - Regelmäßige Aktualisierungen, Gewährleistung des Zugriffsschutzes, Compliance-Checks zu regulatorischen Vorgaben (z.B. EU AI Act, DSGVO, etc.). 

📝 Eine Beispielsskizze aus der Praxis 

Ein KI-Modell wurde gezielt für steuerrechtliche Fragestellungen entwickelt, insbesondere hinsichtlich Bescheidprüfungen und Kommentarauswertungen. Es basiert auf einem Deep-Learning-Modell, das ausschließlich mit juristisch validierten Quellen trainiert wurde. 

Die Ergebnisse: 
  • Beschleunigte Recherchen bei komplexen Fragestellungen und eine schnellere Ableitung relevanter Rechtsnormen, Tatbestände und Rechtsfolgen. 

  • Digitale Unterstützung bei Mandantengesprächen durch präzise und verständliche Erläuterungen steuerlicher Sachverhalte, Prüfungsvoraussetzungen und möglicher Gestaltungsoptionen. 

  • Effizienzsteigerung in der Arbeitsabläufen in der Beratungspraxis durch Vorstrukturierung von Fällen, automatische Extraktion relevanter Passagen und konsistente Dokumentationsvorlagen. 

Gleichzeitig bleibt die Verantwortung klar beim Menschen: Die KI liefert Argumente, keine Entscheidungen. Sie dient der Informationsbeschaffung, Strukturierung von Sachverhalten und fungiert als Impulsgeber für eine fundierte Beratung. Rechts- und Haftungsfragen verbleiben bei der verantwortlichen Person, einschließlich der Prüfung auf Plausibilität, Vollständigkeit und Compliance mit geltendem Recht und berufsrechtlichen Vorgaben. So ergänzt Technologie die Fachkompetenz, anstatt sie zu ersetzen. 

FAZIT

KI ist in der Steuerberatung angekommen – aber ihr Erfolg hängt vom Vertrauen ab, das sie erzeugt. Nur wer Systeme gezielt trainiert, transparent einsetzt und professionell betreibt, wird Akzeptanz schaffen.  

Domänenspezifische Sprachmodelle, gepaart mit klarer IT-Governance, bieten hier eine zukunftsfähige Antwort: Fachlich präzise, effizient und rechtskonform. 

Für die Akzeptanz großer KI-Sprachmodelle im betrieblichen Umfeld bedarf es flankierender IT-Governance. 

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