Digitalisierung in kleinen Kanzleien

„Irgendwann wird Tax Tech jeden einholen“

Nahaufnahme einer blau leuchtenden Leiterplatte mit sichtbaren Schaltkreisen und Chips Bild: @Andrei Berezovskii, getty Images via canva.com

Ein Beitrag von Daniel Lehmann

Die Münchner Kanzlei GKK Partners misst dem Thema Digitalisierung eine große Bedeutung zu. Rund 20 Mitarbeitende kümmern sich vor allem um die interne und externe Entwicklung von Tax Tech und KI. Partner Stefan Schmittner und Senior Manager Christian Heller sprechen über Herausforderungen und Unterschiede zu großen Einheiten.

JUVE Steuermarkt: Wir hören immer wieder von mittelständischen und kleineren Kanzleien, dass Themen wie Digitalisierung, Tax Technology und Künstliche Intelligenz ein stückweit Schlagwörter und vor allem die Big Four und Co. hier unglaublich gut in der Vermarktung ihrer Produkte sind. Stimmen Sie da zu?

Stefan Schmittner: Bei uns gibt es sicher kaum Lösungen von der Stange. Unser Ziel ist es, individuelle Ansätze für unsere Mandanten und maßgeschneiderte Produkte für deren Bedürfnisse zu generieren. Das ist unser Fokus. Und das ist vielleicht auch das, was uns von den Big Four unterscheidet, weil wir nicht diese standardisierten Lösungen haben, die man einfach über alle Fälle stülpt. Wir schauen uns unsere Mandanten an, sehen, wo ihr Bedarf liegt, und setzen dann gezielt an, um individuelle, passgenaue Lösungen zu finden.

Ist der Aufwand nicht sogar größer, und sind Sie als kleine Einheit nicht noch stärker gefordert, wenn Sie vor allem individuelle Lösungen anbieten?

Schmittner: Wir haben keine Grundsatzabteilung, die uns etwas auf der grünen Wiese vorbereitet, sondern wir kommen immer vom individuellen Problem. Auf der anderen Seite: Wenn sich Themen bei Mandat A bewährt haben, dann kann man diese natürlich auch bei Mandat B verwenden. Man entwickelt durch die tägliche Arbeit viele Lösungen, die man dann an anderen Stellen einsetzen kann, bei denen die Problemstellungen sich gleichen oder sehr ähnlich sind. Da profitieren wir natürlich.

Christian Heller: Es ist egal, ob man eine große oder eine kleine Kanzlei ist: Irgendwann wird Tax Tech jeden einholen. Das betrifft die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und wenn man im Pricing nach Stunden abrechnet, ist derjenige, der sich mit Digitalisierung beschäftigt, wesentlich effizienter. Das macht allerdings auch neue Pricing-Modelle erforderlich, denn effizientere Prozesse bei gleichzeitiger Abrechnung nach Stunden wären für Kanzleien auf lange Sicht ein Minus-Geschäft.

Haben Sie ein Beispiel?

Heller: Wir nutzen gezielt KI und andere Technologien, um die Recherchezeit zu verkürzen. Wir haben mittlerweile verschiedene Lösungen von verschiedenen Verlagen. Früher haben wir ein Buch gesucht, strukturiert, recherchiert, das findet heute auf einer anderen, wesentlich schnelleren und effizienteren Ebene statt. Und wenn ich diese Möglichkeiten als kleine Kanzlei heute noch nicht nutze, dann nutze ich sie wahrscheinlich spätestens in drei Jahren, weil die Themen mittlerweile auch von der Datev kommen. Zugegeben: Hier haben die Big Four und andere große Einheiten einen großen Vorteil, weil sie auch andere Anwendungsfälle haben. Wenn ich auf große datenbasierte Themen setze und zum Beispiel bei Verrechnungspreisen oder der Umsatzsteuer etwas dokumentieren oder manuell prüfen muss, kann ich das heute mit einer standardisierten Lösung in einer großen Einheit anders angehen. Aber das ist für uns – Stand heute – noch kein Thema, weil wir diese Mandate, zum Beispiel Cross-Border-Mandate, nicht in diesem Ausmaß haben.

Wir analysieren die Geschäftsprozesse und schauen nach Effizienzsteigerungsmöglichkeiten.
Wie haben Sie sich stattdessen aufgestellt?

Schmittner: Ich stehe für das IT-Consulting-Business direkt beim Mandanten. Das ist bei uns ein eigener Geschäftsbereich. Dieser ist wiederum unterteilt in zwei Teilbereiche: IT Audit und IT Advisory. Bei IT Audit geht es um IT-Prüfungen im Rahmen der Jahresabschlussprüfung, Prüfung von internen Kontrollsystemen und verschiedene Sonderprüfungen, zum Beispiel einer Softwarebescheinigung. Im Bereich IT Advisory geht es grundsätzlich darum, Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren. Wir analysieren die Geschäftsprozesse und schauen nach Effizienzsteigerungsmöglichkeiten. Dazu gehören betriebswirtschaftliche Analysen, zum Beispiel beim Rechnungsstellungsprozess. Wir durchleuchten einen Prozess, überprüfen, wo er gut läuft und wo weniger gut, passen punktuell an und geben Automatisierungsmöglichkeiten an unsere Mandanten weiter.

Und Herr Heller kümmert sich stärker um die interne Digitalisierung?

Heller: Ich bezeichne die Funktion und Rolle unseres Teams gerne als ‚P3‘: People, Process, Product. Bei People geht es darum, die Leute zu bewegen, mit digitalen Produkten zu arbeiten. Das machen wir nicht allein, sondern mit unseren Kollegen, die sich dafür fortbilden. Beim Thema Prozesse geht es darum, Effizienzen zu schaffen, also Prozesse zu automatisieren. Beim Thema Produkte geht es darum, spezifische Themen ausfindig zu machen, den Mandantenkontakt zu pflegen und zu überlegen, wie wir Dinge skalieren können. Wir schauen hier auch, was die großen Häuser machen und was wir adaptieren können. Es gibt also eine Trennung zwischen dem Bereich von Stefan Schmittner und mir. Aber die Themen sind innerhalb der Kanzlei eng miteinander verzahnt. Es ist also keine reine interne Funktion, die wir als Team innehaben.

Wenn wir die Kolleginnen und Kollegen früh einbeziehen, ist die Akzeptanz am höchsten.
Stichwort People: Wie garantieren Sie, alle Mitarbeitenden beim Thema Digitalisierung gleichermaßen mitzunehmen?

Schmittner: Zu Beginn definieren wir das Ziel und sammeln dazu die Erwartungen und Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen. Wenn wir diese früh genug in die Entscheidung und Einführung der Software einbinden, funktioniert das am Ende gut und die Akzeptanz ist am höchsten. In einem zweiten Schritt entwickeln wir ein Schulungskonzept. Was wir in einem kleinen Pilotprojekt getestet und für gut befunden haben, rollen wir dann über die gesamte Kanzlei aus und holen so alle mit ins Boot.

Heller: Wir sehen uns auch als Dienstleister für unsere Kolleginnen und Kollegen. Wir haben Glück mit unseren Partnern, die uns hier alle Freiheiten geben und uns machen lassen. Themen wie Kapazitäten, neue Ressourcen, Budget spielen also eine geringe Rolle – zumindest in dem Rahmen, den wir setzen können. Das bedeutet auch: Die fachlichen Mitarbeitenden können hier mitwirken. Diese Zeiten gelten als Arbeitszeit. Sie müssen also nicht nur auf Mandaten arbeiten, die interne Weiterentwicklung ist bei uns genauso wichtig.  

Nutzen Sie auch Ausbildungsprogramme wie den FAIT (Fachassistent für Digitalisierung und IT-Prozesse) der Steuerberaterkammern?

Schmittner: Ja, einige Kolleginnen und Kollegen haben das Programm abgeschlossen. Das vernetzte Wissen zwischen Steuerberatung und IT, was im Zuge des FAIT gelehrt wird, finden wir richtig und wichtig. Jeder Mitarbeitende, der daran Interesse hat, wird unterstützt.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in Sachen Tax Technology für eine Einheit Ihrer Größe?

Schmittner: Im Fachkräftemangel. Denn auch wenn wir Dinge automatisieren und digitalisieren, sind es am Ende immer noch die Menschen, die beraten, prüfen und haften. Das kommt daher, dass wir in einem Berufsfeld tätig sind, das nicht trivial ist. Man muss ein Examen ablegen, das einem viel abverlangt, und am Ende beschäftigen sich große Teile der Branche mit Routineaufgaben. Wenn wir es schaffen, den Beruf wieder attraktiver zu machen, indem wir diese Routinetätigkeiten digitalisieren, können sich die Beraterinnen und Berater auf die spannenden Themen konzentrieren. Früher hat man Stichproben gezogen, heute kann man den kompletten Datenbestand vom Mandanten einspielen und über Massendatenanalyse Prüfroutinen durchlaufen lassen. Anomalien kann man im Detail mit dem Mandanten besprechen. Man gewinnt Zeit durch den Wegfall von Routinetätigkeiten. Das wiederum ist eine große Chance.

Heller: Gleichzeitig ist auch diese Veränderung nicht trivial. Die Mitarbeitenden müssen sich mit Aufgaben auf einem höheren Level auseinandersetzen. Da findet in Zukunft – zumindest in der Beratung – vieles auf einem intellektuell anspruchsvolleren Niveau statt. Auch das ist eine Herausforderung.

KI erweitert die Werkzeuge des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers erheblich.
Aber um dorthin zu kommen, braucht es ja auch Menschen wie Sie, die sich intensiv mit der Digitalisierung im Steuerrecht auseinandersetzen und diese wichtige Schnittstellenfunktion übernehmen. Auch hier dürfte der Fachkräftemangel zuschlagen.

Heller: Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt. Wir haben das Glück, ein sehr attraktiver Arbeitgeber zu sein, der hierfür wichtige Leute von außen gewinnt. Dazu haben wir Kolleginnen und Kollegen, die wir intern für unsere Sache gewinnen konnten. Ich teile mir meine Aufgabe zum Beispiel mit einer Kollegin, die Steuerberaterin ist und von den fachlichen in die technischen Themen hineingewachsen ist. Das gleiche Thema haben wir in der Buchhaltung: Da sind Buchhalter, die zwar noch klassisch auf Mandaten arbeiten, dabei aber mittlerweile viel digitaler und spezifischer unterwegs sind.

Wie beurteilen Sie die Bedeutung von KI für die Steuerbranche?

Heller: Die Bedeutung von KI in der Steuerbranche hat sich deutlich entwickelt. Anfangs wurde KI extrem gehypt, besonders von großen Unternehmen, die Milliarden investierten und große Kooperationen eingegangen sind. Obwohl die Anwendungsfälle im Mittelstand zunächst hinterherhinkten, sehen wir nun eine zunehmende Zahl von Anwendungen, sowohl intern als auch extern. Intern nutzen wir KI für Wissensmanagement und semantische Suchen, die präzisere Ergebnisse liefern. Auch in der Prozessautomatisierung und Datenanalyse, wie bei der Umsatzsteuerverrechnung, spielt KI eine immer größere Rolle. Diese Entwicklungen werden auch für kleine und mittelständische Kanzleien relevant.

Schmittner: Ich stimme zu, dass KI viele Chancen bietet. Der Mensch bleibt jedoch entscheidend, insbesondere bei der Interpretation der generierten Daten und der Ableitung der richtigen Handlungsentscheidungen. KI erweitert die Werkzeuge des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers erheblich.

Stichwort Werkzeuge: Wie entwickeln Sie die Tools für die Mandanten?

Heller: Unsere Philosophie ist es, nicht auf harte Eigenentwicklungen zu setzen, sondern auf marktübliche Lösungen. Dafür arbeiten wir in Kooperation mit externen Softwarehäusern. Eine eigene Produktion und Programmierung kommen für uns nicht infrage. Dies ermöglicht es uns, Prozesse leicht anzupassen und weitere Kollegen einzubinden. Durch Low-Code-Lösungen können auch Kollegen aus Fachbereichen selbstständig Prozesse verändern und verstehen, was passiert.

Schmittner: Wir fungieren als Multiplikator, indem wir unseren großen Mandantenstamm nutzen, um spezifische Anforderungen an die Hersteller heranzutragen. Dadurch können wir Produkte gemeinsam mit den Herstellern weiterentwickeln, was sowohl unseren als auch den Bedürfnissen unserer Mandanten zugutekommt.

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